Berlin. . Ein neuer Weg zur Finanzierung von Medizin-Forschung: Eine Genossenschaft will die Entwicklung einer Arznei vorantreiben, die die Augenkrankheit Makula-Degeneration bekämpfen soll. Experten halten das Modell allerdings für fragwürdig. Für Privatinvestoren kann es ein riskantes Investment sein.

Patienten schließen sich zusammen und lassen ein neues Medikament entwickeln: Das ist die Idee der Genossenschaft AMD Therapy, die bundesweit um Mitglieder und Geld wirbt. Ziel ist es, ein Arzneimittel gegen die Augenkrankheit „Trockene AMD“ zu erforschen. Experten halten das Finanzierungskonzept allerdings für fragwürdig.

Es geht um die „trockene altersbedingte Makuladegeneration“ (AMD). Dabei verlieren ältere Menschen die Fähigkeit, scharf zu sehen. Die Außenwelt ist dann oft nur noch schemenhaft wahrnehmbar. Etwa zwei Millionen Menschen leiden in Deutschland an diesen Symptomen, sagt Andreas Mayr, ein Gründer der in Reutlingen ansässigen Genossenschaft.

Mindestinvestition von 3000 Euro

Mayr und seine Mitstreiter wollen das Geld aufbringen, um ein Medikament gegen AMD entwickeln zu lassen. Die Konstruktion des Projekts sieht so aus: Bis zu 20.000 Genossen sollen jeweils mindestens 3000 Euro in Anteile investieren. Im Idealfall kommen so 60 Millionen Euro zusammen. Diese sollen in Pharmafirmen gesteckt werden, die eine Arznei entwickeln.

„Das ist ein unternehmerisches Investment“, sagt Mayr, der im Hauptberuf als Unternehmensberater für mittelständische Firmen arbeitet. „Der Totalverlust des eingesetzten Kapitals ist grundsätzlich möglich.“ Wie viele Genossen und Geld bislang eingeworben wurden, will Mayr nicht verraten. Er begründet diese Zurückhaltung mit dem Persönlichkeitsschutz der Anteilseigner.

Die Gründung der Genossenschaft sieht Mayr als innovativen Versuch, wie Betroffene selbst ein Problem lösen könnten. Die Augenkrankheit sei ein Beispiel dafür, warum traditionelle Pharmaunternehmen trotz dringenden Bedarfs mitunter keine Medikamente entwickelten. Zwischen der Phase der Grundlagenforschung und der Marktreife einer Arznei klaffe oft eine „Finanzierungslücke“, an der die Forschung scheitere. Die Genossenschaft soll diese Lücke schließen helfen.

24 Prozent für Verwaltungskosten

Knapp 24 Prozent des Kapitals soll in den kommenden zehn Jahren für Verwaltungskosten verwendet werden – 2,4 Prozent jährlich. Mayr selbst sowie andere Organisatoren können außerdem in den Genuss einer zehnprozentigen Gewinnbeteiligung kommen, wenn die Entwicklung erfolgreich verläuft.

Wolfgang Becker-Brüser, Geschäftsführer des Fachinformationsdienstes Arznei-Telegramm, betrachtet die AMD-Genossenschaft skeptisch. Deren Angaben hält er „für zu unkonkret“. So liefere die Genossenschaft bislang keine ausreichenden Informationen, in welche Unternehmen sie investieren wolle. „Die Anleger begeben sich vollständig in die Hand der Organisatoren,“ sagt Marktkenner Becker-Brüser.

„Das therapeutische Konzept ist unklar“

Gerd Glaesge vom Zentrum für Sozialpolitik der Uni Bremen sieht das ähnlich: „Das therapeutische Konzept ist unklar.“ Glaesge weist zudem darauf hin, dass mit der Substanz Fenretinide bereits ein aussichtsreiches Medikament gegen die trockene AMD in der klinischen Prüfung sei.

Auch Gesundheitsforscher Rolf Rosenbrock vom Wissenschaftszentrum Berlin hält den Ansatz der Genossenschaft für fragwürdig. „Die Neuentwicklung eines Medikaments kostet heute mindestens mehrere hundert Millionen Euro“, sagt Rosenbrock. „Ich bezweifele stark, ob eine Genossenschaft überhaupt ausreichende Mittel aufbringen kann, um einen nennenswerten finanziellen Beitrag zu solchen Kosten zu leisten.“