Stuttgart. . Nervenkrieg um eine Bürgschaft für die insolvente Drogeriemarktkette Schlecker: Die Gründung von Auffanggesellschaften für rund 11.000 von der Kündigung bedrohte Schlecker-Mitarbeiter hängt offenbar nur noch von einer Zustimmung Bayerns ab. Eigentlich sollte bis um 8 Uhr eine Lösung vorliegen.

Trotz Ablauf eines Ultimatums haben sich die Verhandlungen zur Finanzierung einer Schlecker-Auffanggesellschaft am Donnerstagmorgen weiter hingezogen. Zuletzt fehlte nur noch die Zusage Bayerns. "Bayern verschließt sich nicht grundsätzlich einer Lösung. Es fehlen aber noch wichtige Unterlagen aus Stuttgart, um seriös entscheiden zu können", sagte ein Sprecher des bayerischen Finanzministeriums. Er fügte hinzu: "Es geht schließlich um viel Steuergeld."

Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) hatte noch versucht, andere Bundesländer zu Bürgschaftszusagen für Schlecker von 45 Millionen Euro für einen 70-Millionen-Euro-Kredit der staatlichen Förderbank KfW zu bewegen. Als Frist hatte er Donnerstagmorgen, 8 Uhr, gesetzt. Aus seinem Ministerium hieß es am Morgen, es sehe gut aus. Lediglich Bayern müsse noch zusagen.

Am Mittwoch war der ursprüngliche Plan gescheitert, mit allen 16 Bundesländern Garantien für den Kredit zu vereinbaren. Die Länder Sachsen und Niedersachsen wollten nicht mitziehen. Der Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft des Landtages stimmte nach zähen und mehrfach unterbrochenen Verhandlungen der Übernahme einer Garantie unter der Bedingung zu, dass verbindliche Zusagen anderer Länder in Höhe von 45 Millionen Euro vorliegen.

Schlecker-Beschäftigten droht sofortige Arbeitslosigkeit

Baden-Württemberg werde den Rest übernehmen. Damit werde das Land seinen Anteil "deutlich hochschrauben", sagte Schmid. Die Ausschussvorsitzende Tanja Gönner (CDU) sagte, der zusätzliche Anteil Baden-Württembergs bei den 25 Millionen Euro sei "de facto" der Niedersachsens und Sachsens.

Nachdem das Insolvenzverfahren am Mittwoch offiziell eröffnet wurde, sollen die 11.200 von Kündigungen betroffenen Schlecker-Mitarbeiter in den Auffanggesellschaften betreut, weiterqualifiziert und in Jobs vermittelt werden. Scheitert die Finanzierung der Gesellschaften, werden die Beschäftigten arbeitslos und von der Bundesagentur für Arbeit betreut.

Verdi-Chef Frank Bsirske hat die Rolle der FDP bei den Verhandlungen heftig kritisiert. "Die FDP-geführten Wirtschaftsministerien in den schwarz-gelben Länderregierungen mauern und demonstrieren im Grunde soziale Kälte, Verantwortungslosigkeit und versuchen, sich auf dem Rücken der Menschen zu profilieren", sagte Bsirske am Donnerstag. "Das macht einen schon zornig."

Rösler gibt Schuld für Hängepartie der Landesregierung von Baden-Württemberg

Wegen der Hängepartie um eine Schlecker-Transfergesellschaft hat Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nicht seinen FDP-Kollegen in Bayern kritisiert, sondern die baden-württembergische Landesregierung. Stuttgart habe "falsche Hoffnungen bei den Schlecker-Beschäftigten geweckt, die jetzt jäh enttäuscht werden", erklärte Rösler. Mit verantwortungsvoller Wirtschaftspolitik habe das nichts zu tun.

Die Arbeitsmarktsituation für Schlecker-Mitarbeiter sei jedoch günstig. Es gebe derzeit fast doppelt so viele freie Stellen im Einzelhandel wie Schlecker-;itarbeiter, denen eine Kündigung drohe, sagte Rösler. Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) machte den von einer Entlassung bedrohten Schlecker-Mitarbeiter Hoffnung. "Bei 11.000 Entlassungen bin ich noch ganz guter Dinge, dass viele einen neuen Job im Handel finden", sagte der HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in Düsseldorf. Denn in vielen Regionen würden vom Handel erfahrene und qualifizierte Arbeitskräfte gesucht.(dapd/afp)