Bochum/Detroit. . Das Opel-Management plant offenbar die Schließung von zwei Werken in Europa. Besonders gefährdet ist der Standort in Bochum. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (beide SPD) sind empört. Automobil-Experte Dudenhöffer sieht die Chevrolet-Produktion als Zukunfts-Chance für Bochumer Werk.
Ein Bericht der angesehenen US-Wirtschaftszeitung „WallStreet Journal“ über einen bevorstehenden Schließungsbeschluss für das Bochumer Opel-Werk sorgt für einhellige Empörung bei Gewerkschaftern und Politik. Die Zeitung beruft sich auf Kreise der Konzernmutter General Motors (GM) und spricht von möglichen Entscheidungen bereits am Mittwoch auf der Opel-Aufsichtsratssitzung. Das wollte ein Unternehmenssprecher gegenüber DerWesten nicht dementieren.
Dass Werksschließungen auf der Tagesordnung stehen, will sich der Bochumer Betriebsratsvorsitzenden Rainer Einenkel, selbst Aufsichtsratsmitglied, nicht vorstellen. Er kündigte massiven Widerstand gegen alle Pläne vor, die Produktion in Bochum und dem britischen Ellesmere Port einzustellen. Eine solche „dumme Entscheidung“ würde „zur teuersten Werksschließung aller Zeiten“ führen, sagte er DerWesten. "Wir werden nicht lange stillhalten", sagte er. Er forderte das Opel-Management auf, zusätzliche Produktion nach Europa zu holen, zum Beispiel den Bau des mit dem Opel Zafira weitgehend baugleichen Chevrolet Orlando aus Korea, ebenso wie den Bau des kommenden Nachfolgers für den Opel Antara.
Gegenüber der WAZ äußerte sich auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). „Dieses jahrelange Spiel von GM mit der Angst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze ist unverantwortlich. Die Landesregierung hat die aktuelle Debatte bei Opel im Blick und setzt sich für eine gute Zukunft des Opel-Standorts Bochum ein.“ Die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) sagte: „Die erneuten Schließungsgerüchte sind sachlich nicht nachvollziehbar.“ Das Ruhrgebiets-Werk sei auch im internationalen Vergleich konkurrenzfähig.
Ottilie Scholz ist "verwundert" über eine mögliche Schließung des Standortes
Klaus-Peter Martin, ein Sprecher des US-Mutterkonzerns General Motors (GM) in Detroit, wollte den Bericht auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren. „Wir haben nichts anzukündigen. Und wir kommentieren keine spekulativen Geschichten“, sagte Martin. GM hatte erst vor wenigen Wochen für sein Europageschäft – Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall – einen Verlust von rund 570 Millionen Euro für das vergangene Jahr bekanntgegeben und massive Ergebnisverbesserungen angekündigt.
Dagegen zeigte sich die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz "verwundert" über eine mögliche Schließung des Standortes. "Schließlich ist das Werk in Bochum sehr gut, flexibel und zukunftsfähig aufgestellt. Es besitzt - auch im internationalen Vergleich - eine hohe Produktivität, Auslastung und Wettbewerbsfähigkeit", teilte die Oberbürgermeisterin mit. Sie wies darauf hin, dass Opel derzeit in Bochum Sonderschichten fahre. Die Stadt Bochum und sie würden alles tun, um das Werk zu sichern und eine tragfähige Zukunftsperspektive zu geben.
Die Landesregierung will sich für die Zukunft des Bochumer Werkes einsetzen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte am Freitag, die Landesregierung stehe in intensivem Kontakt mit Geschäftsleitung und Betriebsrat von Opel sowie mit den Gewerkschaften. Harte Kritik übte die SPD-Politikerin am Management des Opel-Mutterkonzerns General Motors. Das jahrelange Spiel des US-Konzerns mit der Angst der Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze sei unverantwortlich.
Betriebsratschef Einenkel warnt, Schließungen würden Marke Opel schaden
"Alle Werke in Europa müssen sich Sorgen machen", reagierte am Morgen Rainer Einenkel, Betriebsratschef des Bochumer Opel-Werks auf den US-Bericht. In einem Radiointerview auf dem Sender WDR2 sagte Einenkel: "Wir kennen diese Gerüchte in Bochum zu Genüge". Er sehe aber gute Chancen, das Opel-Werk in Bochum zu erhalten. "Ich habe sechs Schließungspläne in der Schublade, wir haben bisher jede Schließung verhindern können". Für Einenkel würde das Aus von Werken in Europa bedeuten, "dass die Marke Opel endgültig den Bach 'runter geht".
Hinter den Gerüchten aus den USA vermutet Einenkel "einige Vertreter von General Motors, die mit aller Gewalt den Namen Opel schädigen wollen". Statt über Schließungen sollte aus Sicht des Betriebsratschefs viel mehr darüber diskutiert werden, wie Opel profitabler werde. "Dazu sollte man VW als Beispiel nehmen", schlug Einenkel vor, und Opel endlich die Chance geben, Fahrzeuge etwa auf dem boomenden Automarkt in China zu vermarkten. Zudem könnten die hiesigen Werke besser ausgelastet werden, indem sie auch Fahrzeuge anderer Marken aus dem GM-Konzern produzierten.
Opel-Werk Bochum ist bis 2014 vor Stillegung geschützt
Kurzfristige Werksschließungen wurden in einer Telefon-Konferenz mit Analysten und internationalen Anlegern von GM-Chef Dan Akerson seinerzeit nicht angesprochen. Laut „Wall Street Journal“ stehen GM-Experten aber auf dem Standpunkt, dass eine Klausel entsprechende Vertragsänderungen zulasse, wenn das Marktgeschehen sich extrem verschlechtert hat.
Aus Sicht von GM ist das offenbar der Fall. Seit 2007 seien die Autoverkaufszahlen in West-Europa um 14 Prozent gefallen. Vor dem Jahr 2014 Standorte schließen zu wollen, könnte ein „bitteren Kampf“ mit den Gewerkschaften und den Belegschaften auslösen, schreibt das „Journal“. Konkrete Bochumer Opel-Belange kommen in dem Bericht nicht zur Sprache. Dagegen wird ein Sprecher der Autogewerkschaft Unite zitiert, die für das Gros der Vauxhall-Mitarbeiter in England zuständig ist. "Ellesmere ist das effizienteste Werk in der Europa-Familie von GM. Und Großbritannien ist ihr größter Absatzmarkt."
Dudenhöfer sieht Perspektive für Chevrolet-Produktion in Bochum
Nach Ansicht des Automobil-Professors Ferdinand Dudenhöffer besteht auch die große Gefahr, dass das Opel-Werk in Bochum dichtgemacht wird. „Die Situation ist für Bochum sehr kritisch, der Standort ist hochgefährdet“, sagte Dudenhöffer. Grund: Die Opel-Mutter General Motors habe Überkapazitäten bei der Produktion in Europa und müsse diese abbauen. „Daher ist es gut möglich, dass die beiden Opel-Standorte Bochum und Ellesmere Port in England geschlossen werden.“
Vier Opel-Werke in Deutschland
GM's Europageschäft - das ist Opel und zum kleineren Teil die britische Vauxhall - schrieb 2011 knapp 750 Millionen Dollar Verlust. Daher gibt es seit längerem Spekulationen über scharfe Einschnitte, etwa eine Schließung des Werks in Bochum, in dem knapp 5200 Menschen arbeiten. Opel hat in Deutschland insgesamt noch etwa 40.000 Mitarbeiter und hierzulande auch Werke in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern.
Das Werk in Bochum ist nach Opel-Angaben der größte industrielle Arbeitgeber in der Region. In den dortigen Werken werden die Modelle Astra und Zafira sowie Achsen und Getriebe produziert. In britischen Ellesmere Port werden verschiedene Versionen des Astra gebaut. Dort sind Vauxhall-Angaben zufolge 2100 Menschen beschäftigt, das Werk hat eine Produktionskapazität von 187.000 Autos. (rtr)
Eine Möglichkeit für den Erhalt des Bochumer Werks sieht Dudenhöffer darin, künftig auch die GM-Tochtermarke Chevrolet dort fertigen zu lassen. „Danach sieht es aber im Moment nicht aus“, so der Auto-Experte von der Universität Duisburg-Essen. Der Bochumer Betriebsrat sollte aber versuchen, die Möglichkeit einer Chevrolet-Produktion in Bochum in die Verhandlungen mit GM einzubinden. „Wenn der Betriebsrat etwas erreichen will, dann wohl nur auf dieser Ebene.“
Schließung vor 2014 wäre für GM zu teuer
Im Gegensatz zum Bericht des Wall Street Journal glaubt Dudenhöffer aber nicht daran, dass das Bochumer Werk vor 2014 geschlossen wird. „Ich denke, GM wird zu den Verträgen stehen, die den Standort bis 2014 vor einer Schließung schützen. Alles andere wäre wohl zu teuer.“ Bereits 2011 habe GM in Europa Verluste in Höhe von 750 Millionen Euro eingefahren – für das laufende Jahr erwartet Dudenhöffer sogar noch mehr.
Auch hält er die Forderung, GM müsse Wachstumsmärkte wie China oder Russland für Opel öffnen, für wenig aussichtsreich. „Die Importzölle betragen in diesen Ländern 30 Prozent. Das würde sich nur für Opel lohnen, wenn man dort vor Ort produzieren könnte. Damit wäre Opel Bochum aber auch nicht geholfen.“ Dudenhöffer erwartet eine Entscheidung zu den Opel-Standortschließungen in den kommenden Wochen. (mit csh/dae/WE)