Essen. . Ausgerechnet vor Ostern: Deutschland und Europa gehen die Eier aus. Die Preise für das tierische Produkt explodieren, und die Industrie probiert schon mal Rezepte ohne Ei aus. Im Supermarkt werden Verbraucher die Ei-Verknappung wegen laufender Verträge nicht am Preis merken - noch nicht.
Dass Eier vor Ostern teurer werden, klingt nach Normalität. Wird wohl an der steigenden Nachfrage liegen, werden viele sagen. Aber das Problem ist größer und grundsätzlicher. Eier werden tatsächlich knapp in der Europäischen Union. So knapp und damit so teuer, dass zum Beispiel viele Tschechen, die in der Nähe der deutschen Grenze wohnen, die begehrte Ware in bayerischen Supermärkten kaufen.
„Es gibt derzeit in Europa etwa zehn Prozent weniger Eier auf dem Markt als im März vergangenen Jahres“, sagt eine Sprecherin der Marktinfo Eier und Geflügel (MEG) in Bonn. Und sie macht eine Beispiel-Rechnung auf: 100 lose Eier der Klasse M kosteten im Februar 2012 im Fachhandel 9,50 Euro. Im Februar 2011 habe der Preis bei 5,93 gegeben. „Insgesamt kann man von einer Verdoppelung der Preise innerhalb eines Jahres sprechen“, erklärt Christiane Riewerts vom Bundesverband Deutsches Ei e.V. in Berlin.
Dahinter steckt das seit Januar geltende EU-weite Verbot der klassischen Käfighaltung von Legehennen. Das Verbot ist alles andere als eine Überraschung für die Branche. Seit 1999 läuft in der EU der Countdown für die Käfighaltung. Genug Zeit also, um die Produktion umzustellen, und Deutschland hat die Umstellung auf Boden- und Freilandhaltungseier auch schon vor zwei Jahren vollzogen.
Bis zu 100 Millionen Hennen noch in Käfighaltung
In der europäischen Nachbarschaft sieht dies aber ganz anders aus. „15 von 27 Staaten haben die Verordnung noch nicht umgesetzt“, so Christiane Riewerts. Unter den Nachzüglern sind Frankreich, Niederlande, Spanien und Polen.
Der Bundesverband Ei sagt dazu: „Es ist eine Frechheit, wenn geltendes Recht so umgangen wird.“ Laut MEG ist es schwer zu ermitteln, wie viele Hennen in der EU noch in alten, konventionellen Käfigen leben. Man spricht von 50 bis 100 Millionen Tieren. Das beeinflusst den Markt, denn Eier, die aus einer Produktion stammen, die nicht den EU-Vorschriften entspricht, dürfen nur noch auf dem nationalen Markt und nicht an EU-Partner verkauft werden. Ein Beispiel: In Tschechien werden viele Eier aus Polen verkauft. Der Export aus Polen geht spürbar zurück, weil viele Betriebe noch an der Käfighaltung festhalten. Folge: Die Preise für Eier in tschechischen Supermärkten haben sich fast verdoppelt.
Deutsche Verbraucher werden vorerst nicht mehr Geld fürs Ei bezahlen müssen. Denn Handel und Lieferanten haben langfristig gültige Verträge abgeschlossen. „Der Abgabepreis wird einmal im Jahr festgeschrieben“, erklärt Christiane Riewerts. Heißt: Preissteigerungen wären frühestens 2013 möglich.
Preis für Flüssig-Ei hat sich vervierfacht
Während der normale Kunde im Supermarkt erstmal gelassen bleiben kann, schlägt die Industrie Alarm. Teigwarenhersteller, Bäckereien und Saucen-Produzenten müssen nämlich tatsächlich schon die hohen Preise bezahlen. „Viele große Betriebe machen sich ernsthaft Sorgen“, versichert Armin Juncker, Hauptgeschäftsführer des verbandes Deutscher Großbäckereien. „Die Preise für Flüssigei sind im Jahresvergleich um 300 bis 400 Prozent gestiegen“, so Juncker. In seiner Branche sind zum Beispiel Firmen betroffen, die Waffeln oder Fertigkuchen herstellen.
Angeblich gibt es schon die ersten „Notfallpläne“. Juncker: „Viele Betriebe probieren Rezepte aus mit weniger oder ohne Ei-Anteil. Im Extremfall können bestimmte Produkte einfach nicht mehr gebacken werden.“
Dder Verband der Teigwarenhersteller Deutschlands ist ebenfalls alarmiert. „Die extrem gestiegenen Preise für Eier bringen die deutschen Teigwarenhersteller in eine sehr schwierige Lage, und ein Ende der Preissteigerungen ist nicht abzusehen“, sagt Verbands-Chef Alexander Jess. Rund 80 Prozent der in Deutschland produzierten Teigwaren, zum Beispiel Nudeln, enthalten Eier in Anteilen bis zu 30 Prozent. Über mögliche Preissteigerungen bei Nudeln und anderen Teigwaren wollte sich Jess aber nicht äußern. Matthias Klumpp, Sprecher des Nudelherstellers Alb-Gold aus Baden-Württemberg, sagt aus Sicht seiner Branche, dass höhere Preise für die Verbraucher „zu befürchten“ seien.