Brüssel. .
Ein historischer Schuldenerlass ist es wohl, den die griechische Regierung am Freitag nach langem Zittern verkünden konnte. Banken, Versicherer, Fonds und andere private Gläubiger streichen Griechenland mehr als 100 Milliarden Euro Schulden. Sie kommen dabei jedoch nicht so schlecht weg, wie es auf den ersten Blick scheint.
Wäre es schmerzhafter für Banken und andere gewesen, sich dem Schuldenschnitt zu verweigern?
Auf jeden Fall. Hätten sich nicht genug Privatgläubiger unter dem Druck der Europäer bereit erklärt, auf einen Großteil ihrer Forderungen zu verzichten, wäre der Staat Pleite gegangen – ein Horrorszenario für europäische Politiker und für die Finanzwelt. Gläubiger hätten bei einer unkontrollierten Staatspleite verliehenes Geld nicht wiedergesehen.
Doch die Pleite ist abgewendet: Der Schuldenschnitt war eine Bedingung für das zweite Hilfspaket für Griechenland. Die Europäer und der Internationale Währungsfonds IWF wollen das komplette 130-Milliarden-Euro-Paket nächste Woche beschließen.
Fließen die Hilfs-Milliarden nur in die griechische Staatskasse?
Nein, Athen erhält in den nächsten Jahren fast 100 Milliarden Euro Notkredite, um seine Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Dazu gehört auch das Abstottern von Schulden, die der Staat bei Banken oder Versicherern hat. In dem Hilfspaket sind zusätzlich dutzende Milliarden Euro für die Finanzbranche vorgesehen.
Wie versüßen die Europäer Privatgläubigern den Schuldenerlass?
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen der restlichen Euro-Staaten gaben einen Teil der Gelder aus dem zweiten Hilfspaket für Griechenland bereits am Freitag teils frei, nachdem der Schuldenerlass geglückt war. So erhält die griechische Regierung 5,5 Milliarden Euro, um ihren Gläubigern aufgelaufene Zinsen bezahlen zu können.
Den Privatgläubigern wird ihr Verzicht zudem mit Geld und Garantien versüßt. Denn der Schuldenerlass funktioniert so: Banken und andere Gläubiger tauschen ihre griechischen Schuldtitel gegen neue Anleihen ein, die deutlich weniger wert und schlechter verzinst sind. Ein Teil des Forderungsverzichts bekommen sie jedoch erstattet – dafür haben die Notkredit-Geber Europäer und IWF 30 Milliarden Euro eingeplant.
Stimmt es, dass Deutschland und die anderen finanzkräfigen Euro-Staaten mehr Risiken schultern?
Ja. Für die neuen Anleihen steht nicht nur Griechenland gerade, sondern auch der Rettungsfonds für klamme Euro-Staaten. Der gilt – anders als die Griechen – als absolut kreditwürdig. Schließlich bürgen für ihn Deutschland und die anderen finanzkräftigen Euro-Staaten. Damit wandern noch mehr griechischen Risiken von den Privatgläubigern zu die Staaten. Anders gesagt: Die Steuerzahler in Deutschland schultern mehr Risiken als bisher.
Hat der Schuldenerlass auch positive Auswirkungen auf Deutschland?
Das hoffen deutsche Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Schäuble. Denn der massive Schuldenerlass verschafft Griechenland Zeit und Luft, der hausgemachten Finanz- und Wirtschaftsmisere zu entrinnen. Dank des Forderungsverzicht sinken Griechenlands Staatsschulden von derzeit etwa 360 Milliarden Euro um fast 30 Prozent.
Eine griechische Staatspleite hätte dagegen noch stärkere Schockwellen durch den Euro-Währungsraum gejagt und möglicherweise große Euro-Sorgenländer wie Italien und Spanien taumeln lassen. Das hätte auch teure Folgen für die europäische Finanzbranche – dazu gehören unter anderem deutsche Banken und Versicherer - gehabt, die diesen Ländern ebenfalls viele Milliarden geliehen hat.