Essen.. Ein Programm für Handys schickt sich an, die Taxi-Branche umzukrempeln und die Funkzentralen überflüssig zu machen. Der Taxi-Verband ist zudem erbost, weil der Daimler-Konzern - Droschken-Ausrüster Nr.1 in Deutschland - bei „myTaxi“ mitmischt.

Der Feind ist Schwarz-Gelb. Nein, nicht die Borussia aus Dortmund. Von einem kleinen Programm für Handys ist die Rede. Die App heißt "my Taxi" – und die Macher schicken sich an, das Taxi-Gewerbe in Deutschland umzukrempeln. Das stinkt den Taxi-Zen­tralen im Land. Denn sie fürchten um ihr Monopol. Weil sich Autobauer Daimler an „myTaxi“ mit zehn Millionen Euro beteiligt hat, protestierten die Droschkenfahrer. Ausgerechnet Mercedes, Haus- und Hoflieferant des Taxi-Gewerbes. „Wir schäumen vor Enttäuschung und Wut“, beginnt ein Brief des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands an Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Doch schön der Reihe nach: Wer bislang in Deutschland ein Taxi benötigte, rief brav in der Taxi-Zentrale an. Minuten später klingelte der Fahrer an der Tür, die Fahrt konnte losgehen. „myTaxi“ funktioniert anders. Fahrgäste laden sich das kostenlose Programm aus dem Internet-Laden ihres Handy-Anbieters herunter, die App ermittelt per GPS den Standort. Name eintragen, auf „Zur Bestellung“ klicken: Die Fahrer sehen die Anfrage auf ihrem Handy-Bildschirm und können die Fahrt annehmen, wenn sie in der Nähe sind. Wer zuerst drückt, bekommt den Zuschlag. Das war’s, dafür ist keine Zen­trale mehr nötig.

Monopol auf Vermittlung

Für jede erfolgreich vermittelte Fahrt kassiert „myTaxi“ 79 Cent vom Fahrer. Freiberuflich tätige Unternehmer, übrigens die Mehrheit in Deutschland, sparen sich so die monatliche Gebühr für die Zentrale. In Dortmund sind das immerhin 223 Euro, in anderen Städten mal mehr, mal weniger.

„myTaxi“ macht sich in einem Markt breit, in dem bislang die Taxi-Zentralen ein Monopol auf die telefonische Vermittlung von Fahraufträgen haben. Es gibt Platzhirsche – wie „Taxi Dortmund“ –, die laut eigenen Angaben 450 der stadtweit 600 Taxen vermitteln. Doch die Zahl der „myTaxi“-Fahrer wächst. In Köln und Düsseldorf haben sich bereits jeweils 300 Fahrer bei dem Hamburger Unternehmen registriert, in Bonn und Dortmund sind es jeweils 100. Fahrer in Essen, Bochum, Duisburg und Hagen folgen, sagt „myTaxi“.

Bewertung schafft Vertrauen

Pierre Dahlmann ist einer von ihnen. Der Einzelunternehmer aus Essen fährt seit elf Jahren Taxi, seit kurzem auch mit „myTaxi“. „Ich mache pro Tag etwa 15 Fahrten“, sagt er. Zwei bis drei gingen auf das Konto des Handy-Programms. Auch für den Fahrgast sei die App eine feine Sache, sagt Dahlmann. Weil gute Fahrer auch als solche bewertet werden können. Das schaffe Vertrauen. „Sie sehen sofort, wer sie fährt, auch mit Bild.“

„Unsere App ist mindestens genauso gut“, sagt Torsten Niederschelp, Vorstand bei „Taxi Dortmund“, fast schon trotzig. Den vollen Funktionsumfang des Programms (Bestellmöglichkeiten für Krankenfahrten oder das Bezahlen mit Kreditkarte) kann man allerdings nur genießen, wenn man auch in Dortmund unterwegs ist. Wer das Programm in Essen ausprobiert, bekommt nur die Telefonnummer der nächsten Zentrale serviert – ein besseres Telefonbuch.

Perfekte Ergänzung

Überhaupt werde das Thema App überbewertet, sagt Thomas Grätz, Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbandes. „Gerade einmal ein bis zwei Prozent aller Fahrten werden über Apps vermittelt.“ Doch warum ist der Verband dann so wütend auf Daimler? „Weil der Konzern nicht das Gespräch mit uns gesucht hat, bevor er sich an myTaxi beteiligt hat“, sagt Grätz. Dabei nehme man Mercedes doch fünf bis sieben Prozent der E-Klasse-Produktion für Deutschland ab und sei ein wunderbarer Multiplikator für die Marke mit dem Stern im Logo. Man erwarte jetzt eine klare Ansage von Daimler-Chef Zetsche.

Taxifahrer Dahlmann kann die Aufregung nicht verstehen. Beides – App und klassische Vermittlung – ergänze sich doch perfekt. Der Essener fährt auch für eine Zentrale. Das soll auch so bleiben – erst einmal.