Essen. . Ein Interview mit Günther und Petra Grotkamp über die Mehrheitsübernahme an der WAZ Mediengruppe. Eine Zeitung, sagt Güther Grotkamp, sei etwas anderes als eine normale Handelsware. Er ist sich sicher: “Allein durch Sparen kann man keine Umsätze und Gewinne und daher auch keine unternehmerischen Erfolge erzielen.“
Günther Grotkamp ist ein WAZ-Urgestein. 40 Jahre arbeitete er im Verlag, 25 Jahre lang bis zum Jahr 2000 als Geschäftsführer. Gestern unterzeichnete seine Frau Petra Grotkamp, Tochter des Mitgründers Jakob Funke, die Verträge zur Übernahme der 50-prozentigen Anteile der Familie des Mitgründers Erich Brost.
Weshalb kauft Ihre Familie die Hälfte der WAZ?
Günther Grotkamp: Weil sie an die Zukunft der WAZ glaubt und das Unternehmen erfolgreich weiterführen will. Aber dazu sollte besser meine Frau etwas sagen.
Petra Grotkamp: Ich fühle mich dem Erbe meines Vaters und Gründers der Zeitungsgruppe, Jakob Funke, sehr verpflichtet und möchte dessen Werk in dem Familienunternehmen fortgesetzt sehen. Meine Familie fühlt sich auch der Region Ruhrgebiet stark verbunden und glaubt, dass das Ruhrgebiet auch in Zukunft Sitz eines starken Medienunternehmens sein sollte.
Sie haben die Kaufentscheidung im Familienrat getroffen. Das heißt, die nächste Generation, also Niklas Wilcke, trägt sie mit. Soll die WAZ, sagen wir in 50 Jahren, immer noch ein Familienunternehmen sein?
Petra Grotkamp: Die Entscheidung habe ich autonom getroffen und dann meine Familie eingebunden. Die Familie war aber mit der Entscheidung in vollem Umfang einverstanden. Weiter erlaube ich mir den Hinweis, dass die nächste Generation aus mehreren Personen besteht. Neben Niklas Wilcke gibt es auch noch zwei sehr fähige Schwestern, die die Entscheidung ebenfalls mittragen. Es gibt auch mehrere Enkel. Der Grotkamp-Stamm hat die Vorstellung, dass die WAZ langfristig ein Familienunternehmen bleibt.
Was heißt das für Sie: ein Familienunternehmen zu sein?
Günther Grotkamp: Familienunternehmen heißt für mich, dass die Familien unmittelbar als Eigentümer Verantwortung für das Unternehmen und die bei ihm beschäftigten Mitarbeiter tragen. Dies schlägt sich natürlich in der Kultur des Unternehmens nieder. In der Regel sind Familienunternehmen nach meinen Beobachtungen schneller und erfolgreicher am Markt als anonyme Kapitalgesellschaften, zugleich aber auch gegenüber den Mitarbeitern sozial eingestellt, weil eine stärkere Bindung zu dem Unternehmen und den dort beschäftigten Menschen besteht.
Das heißt, die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ist für Sie kein Thema.
Günther Grotkamp: Nein, sie ist kein Thema.
Werden Gewinne stärker als bisher im Unternehmen bleiben?
Petra Grotkamp: Die Kapitalausstattung muss den langfristigen Bedürfnissen des Unternehmens angemessen sein. Ich werde dafür sorgen, dass dies auch geschieht.
Die WAZ wurde gerne mit dem Denver-Clan oder Dallas verglichen. Wird jetzt aus uns ein ganz normales Unternehmen?
Günther Grotkamp: Diese Vergleiche mit amerikanischen TV-Serien waren sicher übertrieben, wenngleich bei uns teilweise auch harte Auseinandersetzungen geführt wurden. Ich glaube, dass eine Übertragung der Anteile der Familie Brost auf meine Frau viel Konfliktstoff entschärft und die Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftern deutlich verbessert.
Die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Erich Schumann: Könnte so etwas auch heute noch funktionieren?
Günther Grotkamp: Das kommt immer auf die Umstände und die beteiligten Personen an. Grundsätzlich könnte ich mir eine Konstellation wie seinerzeit zwischen Herrn Schumann und mir auch heute zwischen anderen Personen vorstellen. Aktuell stellt sich diese Frage bei der WAZ aber nicht.
In der Vergangenheit haben Gesellschafter gegeneinander vor Gericht prozessiert. Ist das jetzt vorbei?
Günther Grotkamp: Alles hat seine Zeit. Die Prozesse hatten seinerzeit ihre Gründe. Nachdem die rechtlichen Fragen in den Prozessen geklärt wurden, sehe ich derzeit keinen Konfliktstoff, der Anlass für weitere Prozesse zwischen Gesellschaftern sein könnte.
Sind Zeitungen für Sie ein normales Wirtschaftsprodukt?
Günther Grotkamp: Nein. Zeitungen sind Medien und nehmen als solche grundgesetzlich geschützte Aufgaben wahr. Sie sind daher qualitativ etwas anderes als eine normale Handelsware. Zeitung machen bedeutet auch, eine besondere Verantwortung zu tragen.
Die WAZ-Blätter haben sich, wenn auch sozialverträglich, von Redakteuren getrennt. Halten Sie weitere Einsparungen von Redakteursstellen für nötig?
Günther Grotkamp: Nein.
Sind auch Neu-Einstellungen denkbar?
Günther Grotkamp: Wenn es erforderlich ist, warum nicht?
Auch im Verlag wurden Stellen gestrichen. Wie sieht hier die Lage aus?
Günther Grotkamp: Ich bin optimistisch, dass die WAZ sich positiv entwickeln wird. Sonst hätte meine Frau ja auch nicht ihren Anteilsbesitz vergrößert. Wenn die Entwicklung positiv ist, werden immer gute und qualifizierte Mitarbeiter benötigt. Gute Mitarbeiter sind das Kapital jeder erfolgreichen Unternehmung. Auf unsere Mitarbeiter in der WAZ können wir stolz sein.
Seit 1948 wurde die WAZ geschäftlich geführt von einer Familie, die der SPD nahe stand und der anderen Familie, die der CDU nahe stand. Nun scheidet mit den Brosts der quasi sozialdemokratische Teil aus. Ändert das etwas an der Ausrichtung der Blätter?
Günther Grotkamp: Die Redaktion war bei uns immer unabhängig von der kaufmännischen Verlagsleitung. Hieran werden wir festhalten. An der Ausrichtung der Blätter wollen wir nichts ändern.
Sie haben das so genannte WAZ-Modell entwickelt: die Redaktionen unabhängig vom Verlag und gleichzeitig unabhängig voneinander. Inzwischen wurde dieses Modell weiterentwickelt. Die Redaktionen teilen sich untereinander ihre Aufgaben. Ist das für Sie der richtige Weg?
Günther Grotkamp: Den von Ihnen angesprochenen Content Desk halte ich für eine zeitgemäße Weiterführung des WAZ-Modells und befürworte die Entwicklung sehr. Wichtig ist aber, dass die unterschiedlichen Identitäten der Titel nicht beeinträchtigt werden. Zwischen den Titeln und dem Content Desk sollte eine klare Arbeitsteilung bestehen, damit es keine Doppelarbeit gibt. Die Titel bearbeiten ihre jeweilige Region, der Content Desk macht den Rest.
Der digitale Anteil am Geschäft der WAZ ist gering. Manche Verlage wie Springer setzen ein Drittel mit digitalen Inhalten um. Sollte dieser Anteil bei der WAZ steigen?
Günther Grotkamp: Ich gehe davon aus, dass das Geschäft mit digitalen Inhalten künftig größere Bedeutung haben wird. Dies gilt auch bei der WAZ.
Was sollte der Kern des digitalen Geschäftes sein: Was sich aus unserem Zeitungsgeschäft ableitet oder gänzlich neue Geschäftsfelder?
Günther Grotkamp: Der Kern des digitalen Geschäfts soll nach meiner Auffassung ein Geschäft sein, welches Bezug zum Mediengeschäft hat. Hiervon verstehen unsere Mitarbeiter und wir am meisten, so dass wir dort auch die besten Chancen haben. Digitale Geschäftsfelder, welche nichts mit Medien zu tun haben, würde ich eher nicht als Kerngeschäft ansehen.
Können Sie sich vorstellen, weitere Zeitungen zu kaufen?
Günther Grotkamp: Wenn das Kartellamt zustimmt, der Preis angemessen ist und die Zeitung in unsere Strategie passt, in jedem Fall.
Würden Sie die österreichische „Krone“ verkaufen, wenn der Preis stimmt?
Günther Grotkamp: Diese Frage stellt sich uns nicht. Wir sind mit unserer Beteiligung an der Krone sehr zufrieden. Die Krone ist eine der weltweit stärksten Zeitungsmarken überhaupt.
Halten Sie es für denkbar oder gar wünschenswert, mit dem Springer-Verlag zu kooperieren? Immerhin wollte die WAZ Springer Ende der 1990er-Jahre kaufen.
Günther Grotkamp: Das hängt davon ab, was Sie mit dem Begriff Kooperation meinen. Eine kartellrechtlich zulässige Kooperation in bestimmten Bereichen könnte ich mir mit vielen deutschen Verlagen vorstellen. Auch der Springer-Verlag ist hiervon trotz der etwas befremdlichen Aktivitäten des Herrn Döpfner im Zusammenhang mit der von meiner Frau beabsichtigten Transaktion nicht ausgeschlossen. Konkrete Planungen gibt es hier meines Wissens aber nicht.
40 Jahre bei unserer Zeitung, 25 Jahre davon als Geschäftsführer. Sie sind ein WAZ-Urgestein. Was waren in Ihrer aktiven Zeit Ihre größten Erfolge, wo lagen Sie daneben?
Günther Grotkamp: Der größte Erfolg war sicherlich der Ausbau der erst nach dem Krieg gegründeten Zeitung WAZ zu einem Medienkonzern, insbesondere durch Erwerb einer Vielzahl von lokalen Titeln in den 1960-er Jahren sowie dann der Westfalenpost im Jahre 1972, der Westfälischen Rundschau im Jahre 1974 und der NRZ im Jahre 1975. Äußerst wichtig war meines Erachtens auch die Befriedung der Gesellschaftergruppen Brost, Ippen und Funke im Jahre 1963.
Und in den 1980er-Jahren?
Günther Grotkamp: Da erfolgte der Erwerb der Beteiligungen an Krone/Kurier und RTL. Sehr erfolgreich waren auch der Kauf und die spätere Veräußerung der Holtzmann Papier AG sowie für die Gesellschafter die Akquisition und die spätere Veräußerung des 25-prozentigen Anteils am Otto Versand.
Was ist schief gegangen?
Günther Grotkamp: Keinen Erfolg hatte ich leider mit meinen Versuchen, sehr frühzeitig Beteiligungen an Hannoversche Allgemeine, Stuttgarter Zeitung und Saarbrücker Zeitung zu erwerben.
Wachstum um des Wachstums willen?
Günther Grotkamp: Sicher nicht. Alle Zukäufe dienten dem Zweck, die WAZ als Wurzel des Unternehmens zu stärken und abzusichern.
Ihr Verhältnis zum Brost-Geschäftsführer Erich Schumann wird beschrieben mit dem Bild vom Pott und dem Deckel.
Günther Grotkamp: Wer war Pott, wer war Deckel?
War die 50-zu-50-Parität tatsächlich doch kein Gegeneinander?
Günther Grotkamp: Wir waren sehr verschieden und oft unterschiedlicher Meinung, in vielen entscheidenden wirtschaftlichen Fragen haben wir aber an einem Strang gezogen, etwa beim Erwerb der RTL-Beteiligung oder der Beteiligung an Krone und Kurier.
Sie galten in Ihrer aktiven Zeit immer als Haudegen, als Sparfuchs – dienstlich als Freund alter Teppiche: Hat das die WAZ groß gemacht?
Günther Grotkamp: Ich habe in der Tat immer auf die Kosten geachtet. Es stimmt aber nicht, dass die WAZ durch Sparmaßnahmen groß geworden ist. Allein durch Sparen kann man keine Umsätze und Gewinne und daher auch keine unternehmerischen Erfolge erzielen.