Essen. . Die Verbraucherminister von NRW und Bund, Johannes Remmel (Grüne) und Ilse Aigner (CSU), streiten über die richtige Strategie zur Minderung des Antibiotika-Einsatzes in der Hähnchenmast. NRW fordert härtere Gesetze und startete am Mittwoch eine erste Datenbank. Tierärzte und Betriebe sollen dort jede Behandlung eintragen.

Keime auf dem Hähnchenfleisch und Antibiotika in der Tierzucht sind emotionale Themen. Der Verbraucher sorgt sich eben, wenn es um Lebensmittel geht, die seine Gesundheit gefährden können. NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne) hat dies strategisch genutzt, um sein großes Ziel zu erreichen: ein Umdenken in Hähnchenzucht und industrieller Tiermast.

Zur Umsetzung seiner Pläne forderte Remmel am Mittwoch einmal mehr Bundesverbraucher-Ministerin Ilse Aigner (CSU) heraus. Er wirft ihr vor, die Interessen der Bürger denen der Wirtschaft unterzuordnen. Sie mache der Geflügellobby zu viele Zugeständnisse.

Dass es auch anders gehen kann, will NRW mit einer neuen Datenbank über Antibiotika-Ströme in der Hähnchenmast zeigen. Remmel schaltete diese gestern frei. Ärzte und Betriebe sind aufgefordert, jede Abgabe des Medikaments dort einzutragen. Bisher mussten sie diese zwar dokumentieren, aber nicht offenlegen.

„Brauchen ein Ende jahrzehntelanger Fehlentwicklungen“

Mit der Datenbank sollen die Behörden die Gelegenheit erhalten, bei Missbrauch schneller einzuschreiten. Weil die gesetzliche Grundlage fehlt, ist die Teilnahme zunächst freiwillig. „NRW geht bei der Schaffung von Transparenz voran. Wir brauchen ein Ende jahrzehntelanger Fehlentwicklungen“, sagte der Minister. Massentierhaltung werde auf Dauer keinen Bestand haben können.

An der aktuellen Debatte über massiven Antibiotika-Einsatz ist Remmel nicht unbeteiligt. Im November veröffentlichte sein Ministerium die Ergebnisse einer Studie. Die Gabe von Antibiotika in der Hähnchenmast ist demnach gängige Praxis: 96 Prozent der untersuchten Tiere hatten die Medikamente bekommen. Eine den Grünen nahestehende Umweltorganisation legte am Montag nach. Der BUND hatte Hähnchenfleisch in Supermärkten untersucht und multiresistente Keime in elf von 20 Proben entdeckt. Die Kritik der Züchter-Verbände, die Proben seien nicht repräsentativ, drang kaum durch.

Remmel setzte Aigner am Mittwoch unter Druck. Sie solle „möglichst schnell“ ein Gesetz zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes erlassen und das Kontroll-System verbessern. Ihre bisherigen Vorschläge seien enttäuschend, so Remmel. Weil auch seine Forderung nach einer nationalen Antibiotika-Konferenz bisher ungehört blieb, kündigte der NRW-Minister gestern zudem eine Bundesratsinitiative an.