An Rhein und Ruhr. . Seit 20 Jahren steht das „Fairtrade“-Siegel in Deutschland für bessere Produktionsbedingungen in Entwicklungsländern. Die Waren werden immer beliebter. In diesem Jahr soll der Umsatz erstmals die 500-Millionen-Euro-Marke überspringen. Doch nicht alle gesiegelten Produkte halten, was sie versprechen.
Es ist eine Erfolgsgeschichte in Blau und Grün: Vor genau 20 Jahren gestartet, ziert das „Fairtrade“-Siegel heute nicht mehr nur Kaffees und Schokoladen, sondern auch Tees, Orangensäfte, Blumen oder Kleidungsstücke. Deren Produzenten erhalten für ihre Ware eine Mindest-Entlohnung jenseits der oft dramatisch schwankenden Weltmarktpreise – finanziert durch einen höheren Preis im Laden. 2011 dürfte der Umsatz mit Fairtrade-Produkten von den im Vorjahr erzielten 340 Millionen Euro noch einmal um mindestens 20 Prozent zugelegt haben, erwartet Dieter Overath, Vorsitzender des Vereins Transfair, der das Siegel vergibt. Das wären mehr als 400 Millionen Euro. „In diesem Jahr möchten wir die halbe Milliarde knacken“, kündigt er im NRZ-Gespräch an. Vor allem große Hersteller oder Handelsketten will Overath überzeugen, auf Produkte aus Fairem Handel umzustellen. „Ein signifikanter Hersteller im Süßwarenbereich“, sei ein Ziel für 2012.
Auch Silke Schwartau, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg, sieht einen Boom des Fairen Handels: „Soziale Kriterien sind für viele Verbraucher immer wichtigere Kaufkriterien geworden.“ Overath ergänzt: Der Druck der Kunden sei größer geworden, „dass sich Industrie und Handel in ihrer Beschaffung nachhaltig verhalten müssen“. So habe nach Lidl nun mit Aldi Süd ein zweiter Discounter einen Kaffee mit dem Siegel ins Sortiment aufgenommen, das in der Produktion auch den Ausschluss von Kinderarbeit und die Einhaltung von Umweltstandards garantiert.
Dennoch ist der Faire Handel bislang ein Nischenmarkt. Zwar liegt der deutsche Umsatz im EU-Vergleich auf Platz zwei. Doch von einem Massenmarkt wie in Großbritannien – „dort haben Sie mittlerweile Schwierigkeiten, eine nicht fair gehandelte Banane zu bekommen“, so Overath – ist man weit entfernt. Selbst beim Kaffee liegt der Marktanteil trotz 18 000 gastronomischer Betriebe mit „Fairtrade“-Ausschank bei gerade zwei Prozent.
Kritik an Kennzeichnung
Overath ficht das nicht an. „Wir erzielen Effekte, die über den Marktanteil hinausgehen“ – etwa auf dem Blumenmarkt. Zwar stammten nur vier Prozent der hierzulande verkauften Rosen aus Fairem Handel. Doch in der Hauptproduktionsregion Ostafrika arbeiteten mittlerweile die Hälfte der Blumenfarmen nach „Fairtrade“-Kriterien, sagt Overath. „Die Fairtrade-Bewegung zeigt, dass ein anderes Wirtschaften möglich ist und Globalisierung nicht auf dem Rücken der Armen ausgetragen werden muss“, sagt Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer, Schirmherr des Transfair-Jubiläums.
Diese Bewegung steht heute indes auf einem deutlich breiteren Fundament als noch vor 20 Jahren. Neben „Fairtrade“ gibt es eine Vielzahl anderer Siegel – zum Beispiel „Pro Planet“ bei Rewe – die faire Produktionsbedingungen versprechen. Verbraucherschützerin Schwartau begrüßt „die vielen kleinen Schritte auf dem richtigen Weg“. Nach wie vor sei „Fairtrade“ das am weitesten verbreitete Siegel für Fairen Handel. „Um so glaubwürdiger muss man aber deshalb auch damit umgehen“, fordert sie. „Nicht immer entsprechen Fairtrade gesiegelte Produkte auch der Verbrauchererwartung“, kritisiert sie. So gebe es das Siegel etwa auch für Kekse mit einem Fairhandelsanteil von nur 20%.
Overath verweist auf internationale Regeln für die Vergabe des Siegels, Transfair wolle sich aber für Änderungen einsetzen: „Wir werden auf internationaler Ebene eine andere Kennzeichnung anregen.“