Frankfurt. Billigzinsen und langfristige Kredite: Die Europäische Zentralbank greift den notleidenden Banken Europas unter die Arme. Trotz niedriger Anforderungen an ihr Eigenkapital fehlen den Banken angeblich 115 Milliarden Euro. Neben den Banken will die EZB auch den Euro-Rettungsschirm ESFS stärken.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will die Eurozone auf breiter Front unterstützen: EZB-Präsident Mario Draghi kündigte am Donnerstag weitreichende Hilfen für die Wirtschaft, Banken und den Euro-Rettungsfonds an. Die Diskussion des in Frankfurt am Main tagenden EZB-Rats darüber sei "für Zentralbanker sehr lebhaft verlaufen", sagte Draghi.

Nicht nur hat die EZB zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen den Leitzins auf nun 1,00 Prozent herabgesetzt - sie will auch zum ersten Mal Banken Geld für eine Laufzeit von drei Jahren leihen. Damit sollen die rund 6.000 bei der EZB registrierten Banken endlich Planungssicherheit erhalten.

Schon nach der vom Fall der Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 ausgelösten Krise hatte die EZB Geld für längere Zeiträume bereitgestellt. Der längste Kredit lief bislang jedoch nur 13 Monate. Die günstigen Kreditangebote der EZB waren jeweils auf starke Nachfrage in Milliarden-Euro-Höhe gestoßen.

Darüber hinaus kündigte Draghi eine neue Maßnahme an, die direkt das Kernkapital der Banken stützen soll. Die Banken müssen als Sicherheit in Zukunft nur noch ein Prozent ihres Kapitals bei der EZB vorhalten - bisher belief sich diese Kaution auf zwei Prozent.

Den Banken fehlen 115 Milliarden Euro Eigenkapital

Den europäischen Großbanken fehlen nach Berechnungen der EU-Bankenaufsicht EBA insgesamt 114,7 Milliarden Euro Kapital. Das sind rund acht Milliarden mehr als nach den vorläufigen Daten von Ende Oktober, wie am Donnerstag aus Finanzkreisen bekannt wurde. Der Kapitalbedarf für die deutschen Institute allein steigt auf 13,1 von 5,2 Milliarden Euro. Betroffen sind nach früheren Informationen die Commerzbank, die Deutsche Bank, die NordLB, die LBBW und - anders als im Oktober - auch die DZ Bank und die Helaba.

Die Banken sollen nach Reuters-Informationen vier Wochen länger Zeit bekommen, ihre Pläne zur Kapitalaufstockung vorzulegen: bis zum 20. Januar statt bis zum 25. Dezember. An dem Zeitraum, um auf die geforderte harte Kernkapitalquote von neun Prozent zu kommen, habe sich nichts geändert. Dazu haben die Institute wie geplant bis zum 30. Juni Zeit.

Draghi: Das Geld zirkuliert nicht in der Wirtschaft

Damit will die EZB endlich ihr Hauptproblem lösen: Weil die Banken sich Liquidität bei der EZB besorgen, es aber nicht weitergeben, kommen die niedrigen Zinsen nie bei den Unternehmen und den 330 Millionen Verbrauchern der Eurozone an. "Das Geld zirkuliert einfach nicht", sagte der Italiener Draghi, wobei er auf die "enorme Höhe" der Liquiditätszufuhr vonseiten der EZB hinwies. Stattdessen horteten die Banken das Geld aus Angst vor der eigenen Zahlungsunfähigkeit, sagte Draghi.

Zuletzt hatte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) berichtet, dass es für seine Unternehmen schwieriger geworden sei, Kredite für kurzfristige Ausgaben zu erhalten. Das erschwere die Finanzierung großer Projekte wie etwa Windparks. Auch Union Investment hatte vor einer Kreditklemme in weiten Teilen Europas gewarnt.

EZB will Euro-Rettungsschirm EFSF helfen

Die EZB wolle außerdem dem Euro-Rettungsfonds EFSF helfen, die hohen Renditen für Staatsanleihen von Schuldenländern zu drücken, kündigte Draghi an. Allerdings werde die EZB kein Zentralbankgeld verwenden und stattdessen als "Agent" des EFSF am Markt auftreten.

"So viel dazu, dass der EFSF niemals das Licht der Welt erblicken werde", fügte Draghi hinzu. In der gegenwärtigen Unsicherheit auf den Finanzmärkten hatte es zuletzt vermehrt Spekulationen gegeben, dass der EFSF ein Rohrkrepierer werden könnte, weil ihm private Investoren kein Geld anvertrauen. Die Ratingagentur Standard & Poor's hatte darüber hinaus angekündigt, dem Luxemburger Fonds möglicherweise die Top-Bonitätsnote zu entziehen. (dapd, rtr)