Berlin. .

Deutschland braucht wohl weniger neue Kraftwerke als bisher angenommen. Das ist das Aussage des Szenario-Rahmens für die Energiewende, den die Bundesnetzagentur am Mittwoch genehmigt hat. Damit korrigiert die Agentur die Planungen der Stromnetzbetreiber zum Teil erheblich. Für die Bürger könnte das unter anderem bedeuten, dass auch weniger neue Stromleitungen gebaut werden müssen und der Ausstieg aus der Atomenergie weniger kostet als befürchtet.

Der Szenario-Rahmen ist der erste Schritt des gesetzlichen Verfahrens, an dessen Ende in einigen Jahren die Baugenehmigungen für neue Stromtrassen stehen. Diese sind unter anderem notwendig, um den Windstrom von Nord- und Ostsee nach Süddeutschland zu transportieren. Zur Berechnung des Bedarf an neuen Leitungen hatten die vier Betreiber des Stromnetzes (Tennet, Amprion, 50 Hertz, EnBW Transportnetze) Zahlen über den Kraftwerkspark der Zukunft an die Netzagentur geschickt. Bürger, Initiativen und Verbände waren zur Diskussion eingeladen.

„Die Bundesnetzagentur hat sich intensiv mit unseren Argumenten auseinandergesetzt“, sagt nun Rainer Baake, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, die die Kraftwerks- und Trassenplanung kritisch begleitet. „Die Genehmigung ist eine grundsätzlich taugliche Grundlage.“

Stromverbrauch soll bis 2032 konstant bleiben – trotz Wirtschaftswachstums

Im Gegensatz zu den Vorstellungen der Stromfirmen hat die Netzagentur den Bedarf an konventionellen Kraftwerken reduziert. „Wir nehmen an, dass nur noch die im Bau befindlichen Kohle- und Gaskraftwerke fertiggestellt werden, die einen hohen Planungsfortschritt aufweisen“, sagte Agentur-Chef Matthias Kurth in Bonn. Im Rahmen ihres Leitszenarios prognostiziert die Agentur, dass 2022 noch eine Kapazität von 89 Gigawatt (89 Milliarden Watt) in konventionellen Kraftwerken am Netz ist. Die Stromfirmen waren von 99 Gigawatt ausgegangen. Die Zahlen für die Kapazität der Windparks an Land hat die Netzagentur dagegen hochgesetzt. Für 2022 stehen jetzt 47,5 statt 44 Gigawatt im Szenario.

Die Agentur nimmt an, dass der Stromverbrauch in Deutschland bis zum Jahr 2032 konstant bleibt – trotz Wirtschaftswachstums. Schon um das zu erreichen, müsste die Energieeffizienz Jahr für Jahr um die Größe des Wachstums steigen. Doch die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Stromverbrauch alleine bis 2022 um zehn Prozent zu drücken. Wie das zu schaffen sein könnte, will die Netzagentur demnächst untersuchen lassen. Energieexperte Thorben Becker vom Bund für Umwelt und Naturschutz kritisiert, dass das Stromsparziel im aktuellen Szenario „keine Rolle spielt“.

Was diese Bedarfsplanung für die künftigen Bau von Stromleitungen bedeutet, wollte Agentur-Chef Kurth am Mittwoch nicht kommentieren. Auch Umwelthilfe und Bund halten sich offiziell zurück. Wegen der Reduzierung der Kraftwerkskapazitäten, die die Netzagentur vorgenommen hat, erscheinen frühere Prognosen inzwischen aber zunehmend unwahrscheinlich. Die Deutsche Energie-Agentur hatte vor einem Jahr errechnet, dass bis 2020 bis zu 3600 Kilometer Hochspannungsleitungen zusätzlich gebaut werden müssten. Dazu wird es wohl nicht kommen.