Berlin. . Inkasso-Forderungen sind in den allerseltensten Fällen tatsächlich berechtigt. Das hat eine Untersuchung des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen ergeben, teilte der vzbv am Donnerstag mit. Er prangert vor allem an, dass selbst kleine Beträge nicht selten zu Phantasie-Summen anschwellten. Auch würden säumige Zahler selbst bei kleinsten ausstehenden Beträgen bedroht und eingeschüchtert.

Unseriöse Inkasso-Firmen werden nach Ansicht der Verbraucherzentralen zunehmend zur Plage. Mit Willkür und Phantasiegebühren würden unberechtigte Zahlungsforderungen in schwindelerregende Höhen getrieben, kritisierte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) am Donnerstag in Berlin. Eine Auswertung von 4000 Verbraucherbeschwerden habe ergeben, dass 99 Prozent der Beschwerden über unseriöse Inkassopraktiken berechtigt seien. "Abzocke und Einschüchterung müssen endlich gestoppt werden", forderte vzbv-Vorstand Gerd Billen.

Die nicht repräsentative Untersuchung zeigt: "In 84 Prozent der Fälle war bereits die Hauptforderung unberechtigt, in 15 Prozent der Fälle blieb auch auf Nachfrage unklar, ob es sich um eine berechtigte Forderung handelt", teilten die Verbraucherschützer mit. Lediglich ein Prozent der erfassten Inkassoforderungen seien eindeutig berechtigt gewesen.

Forderung von 20,84 Euro wurde bei Inkasso-Firma auf 1200 Euro hochgetrieben

Meist stünden unberechtigte Inkassoforderungen im Zusammenhang mit untergeschobenen Verträgen, die durch Abofallen im Internet, unerlaubte Telefonwerbung oder Gewinnspielwerbung angebahnt wurden. "Viele Betroffene zahlen aus Unkenntnis und Angst selbst unberechtigte Forderungen", erklärte Olaf Weinel, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Verbraucher fühlten sich durch die Inkasso-Firmen bedroht und eingeschüchtert.

Die Verbraucherschützer prangern besonders an, dass Inkassounternehmen ihre Gebühren "nach Gutsherrenart nahezu willkürlich festlegen können". Aus einer Schuldnerberatung sei ein besonders krasser Fall berichtet worden: Die Hauptforderung belief sich auf 20,84 Euro, am Ende wurde die Zahlung von 1200 Euro verlangt. Solche Fälle „angeschwollener Bagatellforderung“ gebe es häufig.

Mit Detektei gedroht - wegen 15,87 Euro Schulden 

Trotz der hohen Zahl von ausgewerteten Verbraucherbeschwerden betont der Verbraucherverband, dass die Untersuchung nicht repräsentativ ist. Gleichwohl ergibt sich darin ein deutliches Bild, über die Praktiken des Inkasso-Gewerbes: "Rund drei Viertel der in der Untersuchung befragten Verbraucher fühlten sich von den Inkassoschreiben bedroht und eingeschüchtert", teilt der vzbv mit.

Dabei würden Inkasso-Firmen mit Hausbesuchen drohen oder versuchen, säumige Zahler einzuschüchtern, indem ein Eintragung bei der Schufa oder Lohn- und Kontopfändung in Aussicht gestellt werde. Auch dabei stünden die gewählten Mittel mitunter in keinem Verhältnis zur tatsächlich geforderten Summe: „Ein Inkassounternehmen drohte mit der Beauftragung einer Detektei, die Vermögens- und Arbeitsverhältnisse des Schuldners auszuspionieren – wegen einer Hauptforderung von 15,87 Euro“, berichtet der vzbv. "Die Deutsche Zentral Inkasso GmbH fügte ihrer Zahlungsaufforderung in vielen Fällen einen auf den Verbraucher zugeschnittenen 'Entwurf einer Klageschrift' bei".

Die Verbraucherzentralen fordern deshalb, der Praxis von Inkasso-Internehmen enge Grenzen zu setzen: „Inkasso braucht Regeln, gesetzliche Informationspflichten, verlässliche Gebührenvorgaben und eine schlagkräftige Aufsicht“, fordert Gerd Billen. Laut vzbv gibt es in Deutschland 750 zugelassene Inkasso-Unternehmen. Zwei Drittel davon seien im Dachverband BDIU organisiert. Sie bewegen nach Auskunft des Verbandes jährlich ein Forderungsvolumen von über 24 Milliarden Euro. Nur bei Gerichten registrierte Inkassounternehmen dürfen Schulden eintreiben. (afp/dae/WE)