Berlin/Mailand. Italien steht zurzeit einem Schuldenberg von 120 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung gegenüber. Mit einem straffen Sparpaket will der neue Ministerpräsident Monti in Zukunft wieder geringere Zinssätze für Italien erreichen. Auch andere EU-Länder stecken weiter tief in der Finanzkrise.
Trotz der Regierungswechsel in Italien und Griechenland ist eine Entspannung der europäischen Staatschuldenkrise nicht in Sicht. Das hoch verschuldete Italien schaffte es am Freitag zwar, zehn Milliarden Euro frisches Kapital aufzunehmen - musste dafür aber rekordhohe Zinsen zahlen.
Das nicht zur Euro-Zone zählende EU-Land Ungarn wurde von der Ratingagentur Moody’s auf Ramschniveau herabgestuft und schürte damit die Sorge vor einer Ansteckung Osteuropas an der Krise. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso nannte die Lage in Europa „sehr besorgniserregend“. Wenn Europa sich nicht stärker integriere, könne der Euro auf lange Sicht nicht stabilisiert werden, warnte er.
Deutsche Bundesanleihen stabiler als die anderer Euroländer
Immerhin sieht die Deutsche Bundesbank den Kern der Euro-Zone aktuell nicht in Gefahr. Weder wackelten Frankreich noch Österreich, und auch das Vertrauen der Märkte in Deutschland sei noch intakt, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann der „Berliner Zeitung“. „Bundesanleihen werden an den Märkten nach wie vor bevorzugt.“ Deutschland war kürzlich bei einer Auktion auf einem Teil seiner Anleihen sitzen geblieben. Dies hatte Sorgen ausgelöst, Deutschland könnte seinen Status als Fels in der Brandung verlieren. Die ungelösten Schuldenprobleme und ihre Risiken belasteten auch weiterhin die Märkte. Anleihen aus Portugal kamen nach ihrer Abwertung vom Vortag auf Ramschniveau erneut unter Druck. Kreditausfallversicherungen (CDS) auf belgische und deutsche Staatsanleihen kletterte auf Höchststände.
Monti will hoch verschuldetes Italien mit straffem Sparpaket retten
Weiter im Fokus steht die drittgrößte Euro-Volkswirtschaft Italien mit ihrem Schuldenberg von 120 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung. Der neue Regierungschef Mario Monti hatte Anfang der Woche einschneidende Sparschritte angekündigt. Das Land musste am Freitag für neue Papiere mit sechsmonatiger Laufzeit einen durchschnittlichen Zins von 6,5 Prozent zahlen, für eine zweijährige Anleihe sogar 7,8 Prozent. Höhere Zinssätze wurden seit Einführung des Euro noch nie von Italien gezahlt, erkläre die Notenbank. Im Oktober lagen die Sätze mit 3,5 und 4,6 Prozent noch deutlich tiefer. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte kurz zuvor versucht, durch den Kauf italienischer Staatsanleihen die Zinsen zu drücken, sagten Händler.
Deutschland und Frankreich wollen Italien nach dem Regierungswechsel stärker in ihre Bemühungen um Reformen und eine Gesundung des Euro-Raumes einbeziehen. Nach dem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mit Monti am Donnerstag soll es in Kürze ein weiteres Treffen der drei Politiker geben. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach nun von einer „guten und engen Zusammenarbeit“ der drei Länder, zwischen denen es viel Übereinstimmung gebe. Für ihre Vorschläge zur Vertragsänderungen in Europa strebten Deutschland und Frankreich die Unterstützung Italiens an.
Griechenland soll sich zu einem Sparkurs bekennen
Im Falle Griechenlands wollen die Finanzminister der Euro-Zone am Dienstag entscheiden, ob die nächste anstehende Hilfe von acht Milliarden Euro freigegeben wird. Die Europäer hatten unter anderem gefordert, dass die großen Parteien des Landes sich zu dem Sparkurs bekennen, den Griechenland im Gegenzug zu Hilfen verfolgen muss. Ob der jüngste Brief des konservativen Parteichefs Antonis Samaras dafür ausreicht, ließ Regierungssprecher Seibert offen. Letztlich entscheidend sei, so hieß es im Bundesfinanzministerium, wie die Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission den Stand der Sparmaßnahmen und Reformen bewerte.
Auch Ungarn droht auf Ramschniveau herabgestuft zu werden
Moody’s drohte Ungarn mit einer weiteren Herabstufung, indem die Agentur den Ausblick auf „negativ“ beließ. Sie begründete ihre Entscheidung mit der starken Abhängigkeit des Landes von ausländischen Geldgebern, den schlechten Konjunkturaussichten und dem Schuldenberg von 82 Prozent der Wirtschaftsleistung. Auch wegen der hohen Refinanzierungskosten werde es schwer, das Defizit im kommenden Jahr wie geplant auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu begrenzen, erklärte Moody’s.
Keine strategische Lösung der europäischen Krise in Sicht Die Statue "Europa" stand am Dienstag vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. Foto: dapd
Derweil dauert der Streit über die Instrumente an, mit denen die Europäer ihre Krisen bekämpfen könnten. EU-Währungskommissar Olli Rehn sprach in Rom noch großen Anstrengungen, die nötig seien, um Deutschland von Eurobonds zu überzeugen, wie sie die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Diese lehnt die Bundesregierung zum aktuellen Zeitraum rigoros ab. Auch EZB-Direktoriumsmitglied Jose Manuel Gonzalez-Paramo hält sie derzeit für nicht zweckmäßig. Finanzminister Wolfgang Schäuble forderte, die Euro-Zone müsse sich in Richtung einer Fiskalunion entwickeln. Die Grundzüge sollten nach seinen Worten beim EU-Gipfel Anfang Dezember vereinbart werden. Ziel sei, dass die vereinbarten Ziele für die Haushalte der Mitgliedsländer auch verbindlich durchgesetzt werden können. Schäuble wandte sich erneut gegen Forderungen, die Schuldenkrise durch „die Notenpresse“ der Zentralbank, beziehungsweise durch eine Vergemeinschaftung der Haftung zu lösen. „Deshalb wird die Bundesregierung das nicht machen“, erklärte er. Barroso betonte, zur Stabilisierung des Euro sei die Unabhängigkeit der EZB von grundlegender Bedeutung. (Reuters)