Straßburg (dapd). Auf der malerischen Place Brogli am Rand der Straßburger Altstadt werden hektisch die Buden für den Weihnachtsmarkt aufgebaut. Am Sonntag ist 1. Advent, höchste Zeit für die letzten Vorbereitungen.
Hinter dem Platz, in der leicht angestaubten Präfektur, verhandelt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und dem frisch installierten italienischen Regierungschef Mario Monti über die Euro-Krise.
Am Mittwoch war Deutschland bei einer Auktion selbst auf einem Teil seiner Anleihen sitzen geblieben. Belgien wurde von den Märkten attackiert, Frankreich bangt um seine Bonität. Höchste Zeit, endlich ein starkes politisches Signal zu senden, wie es mit der Schuldenkrise weitergehen soll.
Findet zumindest Frankreich. Die Anleihen-Panne in Deutschland habe gezeigt, dass die Krise nun auf die ganze Eurozone übergreife, warnte Frankreichs Außenminister Alain Juppé aus Paris. Gegen die Verunsicherung helfe nur eine "essenzielle Rolle der Europäischen Zentralbank".
Doch Merkel lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, sie pokert weiter. Die EZB sei "zuständig für die Stabilität des Geldes". Punkt. Auch durch Sarkozys Rückendeckung für Vertragsänderungen, mit der ein Durchgriffsrecht in die nationalen Haushalte verankert werden soll, lässt sie sich (bislang) nicht umstimmen. Die Fiskalunion habe mit der EZB "nichts zu tun", sagt sie. Und überhaupt gehe es "nicht um Leistung und Gegenleistung".
Also kein Deal in Sicht? Dass sich Sarkozy ohne Entgegenkommen von "Madame Non" auf ein Durchgriffsrecht Brüssels einlässt, scheint schwer vorstellbar. Denn es könnte für ihn selbst ziemlich bitter werden: Die Neuverschuldung von Paris wird im nächsten Jahr bei 5,3 Prozent liegen, wie Brüssel prognostiziert. 2,3 Prozentpunkte höher als erlaubt.
Noch scheinen die Fronten verhärtet. Auch Sarkozy pokert. Er weigert sich fünf Monate vor der Präsidentschaftswahl, die wirklich schmerzhaften Einsparungen und Reformen anzupacken, und hantiert weiter mit Wachstumsprognosen, die über denen der EU-Kommission liegen. Er wartet, dass Merkel einknickt.
Wird sie das? Kann sie das? Es ist ein Pokerspiel mit irrsinnigem Einsatz. Wie brenzlig die Lage ist, hatte sich am Mittwoch gezeigt, als der deutsche Staat nur zwei Drittel seiner geplanten Anleihen platzieren konnte. Analysten sprachen von einem Fiasko, einem generellen Misstrauensvotum der Investoren gegenüber dem Euro. Wird aus der Schuldenkrise tatsächlich eine Euro-Krise, dann gerät auch Deutschland in akute Gefahr. Dann bliebe der Kanzlerin wohl keine Wahl, als doch die EZB zu Hilfe zu rufen.
Das hofft man insgeheim in Paris, und auch in Brüssel. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass die USA und Japan bei ähnlichem oder gar höherem Schuldenstand keine Zinsprobleme haben. Eben weil hinter den Staaten eine Zentralbank steht, die in brenzligen Situationen die Notenpresse anwirft.
Noch wird weiter gepokert. Noch sieht Merkel keine ernsthafte Gefahr durch die immer höheren Zinsen für Italien, Spanien, Frankreich oder Belgien. Im Gegenteil. Während Sarkozy in Straßburg dünnhäutig auf die Frage reagiert, ob sein Land auf die Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit vorbereitet sei, während Monti bemüht ist, sein Sparprogramm zu verkaufen, steht Merkel gelassen daneben und lobt die disziplinierende Wirkung der Zinsschere.
Schließlich seien die Aufschläge "ein Hinweis darauf, wo noch etwas zu tun ist". Euro-Bonds dagegen würden zu einheitlichen Zinsen führen, die auch die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit nivellieren würden. Wenn alle vernünftig arbeiteten, so Merkels Credo im November 2011, dann werde man auch wieder einheitlichere Zinsen erreichen.
Das hört sich vielleicht plausibel an. Wären da nur nicht die Finanzmärkte, die seit zwei Jahren auf ein Auseinanderbrechen der Eurozone wetten. Als würde die Schuldenkrise nicht längst auf die Volkswirtschaften durchschlagen und Wachstum zerstören.
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