Essen. . Mit der Zahl der Menschen, die gegen bestimmte Lebensmittel allergisch sind, steigt auch die Zahl der Produkte, die dieser Personenkreis vertragen kann. Insbesondere Produkte ohne Milchzucker boomen.
Die Zahl der Bundesbürger, die bestimmte Lebensmittel nicht vertragen oder gar allergisch darauf reagieren, nimmt zu. Das macht die Hersteller erfinderisch. In den Supermärkten tauchen immer mehr laktose- und glutenfreie Produkte auf.
Nach Schätzungen des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB) können zehn bis 15 Prozent der Deutschen keinen Milchzucker im Darm aufspalten. Sie bekommen Bauchschmerzen und Durchfall. Um nicht auf Milchprodukte verzichten zu müssen, entwickeln die Hersteller Produkte, in denen die Laktose bereits aufgespalten ist.
Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat die rasante Entwicklung statistisch erfasst: Wurden im ersten Halbjahr 2007 noch 14 214 Tonnen laktosefreier Lebensmittel verkauft, waren es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits 43 540 Tonnen. Die Zahl der Haushalte, die Produkte ohne Milchzucker kaufen, verdoppelte sich von 1,64 Millionen im ersten Halbjahr 2007 auf inzwischen 3,44 Millionen. Tendenz steigend.
Raus aus den Diät-Regalen
„Laktosefreie Lebensmittel sind der boomende Markt“, sagt Sabine Schnadt vom Deutschen Allergie- und Asthmabund. Sie begrüßt, dass die Hersteller auf die gesundheitlichen Probleme der Verbraucher reagieren. „Es ist gut, wenn die Produkte aus dem Diät-Regal herauskommen und preiswerter werden“, so Schnadt.
Nachholbedarf sieht der DAAB aber trotzdem. Denn im Gegensatz zu Gluten gebe es für die enthaltene Milchzucker-Menge keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte. Auch fehle ein einheitliches Logo für laktosefreie Lebensmittel. Schließlich sieht Sabine Schnadt auch den Trend zur Übertreibung, wenn der Supermarkt an der Frischethele etwa einen Hartkäse als laktosefrei bewirbt. Die Ernährungswissenschaftlerin: „Käsesorten, die länger gereift sind, enthalten ohnehin keinen Milchzucker.“
Wachsende Kundennachfrage
Als Lokomotive des Booms gilt die Omira-Gruppe, die nach eigenen Angaben jährlich 900 Millionen Kilogramm Milch an ihren Standorten in Ravensburg, Rottweil und Neuburg an der Donau verarbeitet. Die Großmolkerei befindet sich im Besitz von rund 4500 lokalen Milcherzeugern.
Mit der Produktion von Milch, Quark und Joghurt unter der Marke „Minus L“ begann Omira 2001. „Wir reagierten auf die Kundennachfrage und rannten damit offene Türen ein“, so ein Sprecher. Der Bedarf wachse. Produktions- und Absatzzahlen gibt die Molkerei nicht heraus. „Minus L“ vergrößert aber ständig das Sortiment, das inzwischen 70 verschiedene Artikel umfasst – von der laktosefreien Magermilch über Kekse bis hin zu Fertiggerichten. Hinzu kommen Handelsmarken, die Omira für Supermarkt- und Discounterketten produziert.
Laktosefreie Milchprodukte boomen: Nach Erkenntnissen Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) gibt es derzeit 4,9 Millionen Käufer. Das entspreche einer Reichweite von 12,3 Prozent. 21 Prozent kaufen die Artikel, weil sie keinen Milchzucker vertragen. Bei der Mehrheit der Kunden liegt allerdings keine Unverträglichkeit. Sie kaufen laktosefrei, „weil’s gut tut und schmeckt“, so die GfK.
Sichere Kennzeichnung
Doch können Verbraucher, die unter einer Intoleranz teilen, wirklich risikolos laktosefreie Lebensmittel zu sich nehmen? Ja, sagt Peter Loosen, Geschäftsführer des Spitzenverbandes Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). „Hersteller dürfen die Angaben nur verwenden, wenn sie sich absolut sicher sind.“ Seit November 2005 sind sie verpflichtet, die 14 Hauptallergene, auf die Menschen mit Unverträglichkeiten oder Allergien reagieren können, auszuweisen. Darunter fallen nicht nur Gluten und Milchzucker, sondern auch Soja, Erdnüsse, Sellerie und andere Allergene.
Loosen warnt aber: „Wenn nicht mit Sicherheit auszuschließen ist, dass im Laufe der Herstellung auch nur kleinste Bestandteile von Allergenen eingetragen werden, erfolgt zur Information der Verbraucher der Hinweis ,Kann Spuren von ... enthalten’.“ Mit dieser Information könne jeder Verbraucher selbst entscheiden, ob er das Risiko beim Verzehr eingehen will.