Essen. Die gute Nachricht: Die allermeisten Unternehmen zahlen trotz Wirtschaftskrise ihren Mitarbeitern im November Weihnachtsgeld aus. Die schlechte Nachricht: Jede zehnte Firma macht von tariflichen Öffnungsklauseln Gebrauch – und zahlt weniger, später oder gar nicht. Eine Blitzumfrage:

Für die Beschäftigten von Karstadt und Opel dürfte die Vorweihnachtszeit wenig besinnlich ausfallen. Sie kämpfen um ihre Arbeitsplätze. Von den Warenhaus-Angestellten erwartet der Insolvenzverwalter einen Sanierungsbeitrag, die Autobauer sollen sich an New Opel beteiligen. In beiden Fällen steht das Weihnachtsgeld zur Disposition. Die Verhandlungen laufen. Ausgang ungewiss. Laut dem Bochumer Opel-Betriebsratsvorsitzendem Rainer Einenkel soll das Weihnachtsgeld voraussichtlich in den Jahren 2009 bis 2011 von 70 Prozent auf 17,5 Prozent sinken.

Obwohl die Düsseldorfer WestLB schwer ins Trudeln geraten und ihre Zukunft unklar ist, zahlt die Bank ihren rund 1500 Tarifangestellten ein volles 13. Monatsgehalt. So sieht auch die Regelung bei der Bochumer Ölfirma BP (Aral) aus.

Fix-Betrag von 2000 Euro im Bergbau

Die Mülheimer Unternehmensgruppe Tengelmann hält den Tarifvertrag für den Einzelhandel ein und überweist ihrer Belegschaft 62,5 Prozent eines Monatsgehalts. Unter Berücksichtigung regionaler Tarif-Besonderheiten gehen auf den Girokonten der Mitarbeiter der Metro-Gruppe (Metro, Kaufhof, Real, Saturn, Media-Markt) unterschiedliche Beträge ein.

Allgemein sind im Weihnachtsgeld auch die Gehaltssteigerungen enthalten, die in den vorhergehenden Tarifrunden ausgehandelt wurden. Allein in der Landwirtschaft und im deutschen Steinkohlebergbau gibt es feste Sonderzahlungen. So bedenkt die RAG jeden Bergbau-Beschäftigten seit 2003 vor dem Fest pauschal mit 2000 Euro. „Davon profitieren besonders die unteren Lohngruppen”, sagt RAG-Sprecher Udo Kath. Die Tarifvereinbarung läuft noch bis Ende 2012.

"Je niedriger, desto mehr"

Sehr viel komplizierter ist die Lage in den öffentlichen Verwaltungen der Gemeinden. Das Weihnachtsgeld wird nach dem Motto „je niedriger, desto mehr” ausgezahlt. Soll heißen: Angestellte in den unteren Besoldungsgruppen bekommen bis zu 90 Prozent ihres Monatsgehalts, die höheren 60 Prozent. Bei den Beamten liegt der Korridor zwischen 30 und 60 Prozent.

Größere Ausfälle wegen der Krise zeichnen sich also nicht ab: „Im Großen und Ganzen wird gezahlt”, sagt Volker Verch, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Westfalen-Mitte. Er verhehlt aber auch nicht: „Vielen Unternehmern fällt es schwer.” Die Firmenchefs, sagt Verch, wüssten aber um die „hohe Bedeutung des Weihnachtsgelds” für die Mitarbeiter.

Manche zahlen sogar mehr

Die Erfahrungen aus Westfalen decken sich mit der Einschätzung der IG Metall in NRW: „Über 80 Prozent der Beschäftigten zum Beispiel in der Metall- und Elektroindustrie erhalten Weihnachtsgeld. Das sind 55 Prozent eines Monatsgehalts”, sagt der Sprecher der Gewerkschaft, Marc Schlette. Entsprechend sei die Lage in der deutschen Autoindustrie – mit Ausnahme von Opel. Schlette: „Manche Unternehmen zahlen sogar mehr.”

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut WSI in der Hans-Böckler-Stiftung hat die Weihnachtsgeld-Zahlungen für dieses Jahr genauer unter die Lupe genommen und Tarifverträge in 23 Branchen ausgewertet. Danach können sich Beschäftigte in diesem Jahr auf ein höheres Weihnachtsgeld freuen. Je nach Tariflohnerhöhungen in den Branchen liegt das Plus zwischen 1,5 und 7,3 Prozent. In den mittleren Vergütungsgruppen entspreche das Mehrbeträgen zwischen 16 und 117 Euro.

Öffnungsklauseln in Tarifverträgen

Laut Reinhard Bispinck, Leiter des WSI-Tarifarchivs, profitieren über 70 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen von den Zuwächsen beim Weihnachtsgeld – aber nur 45 Prozent der Mitarbeiter in den Firmen, die nicht gebunden sind.

Nach einer Umfrage unter Betriebsräten kommt das gewerkschaftsnahe WSI zu dem Schluss, dass rund zehn Prozent der Unternehmen Gebrauch von Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen machen und Abstriche bei Sonderzahlungen einfordern. Dazu gehört auch das Weihnachtsgeld.