Düsseldorf. . Schon wieder ein überraschender Rückzug beim größten deutschen Handelskonzern: Aufsichtsratschef Jürgen Kluge hört auf. Experte sieht „ein Ausmaß an Chaos, das so nicht zu erwarten war“.

Was sich dieser Tage bei Deutschlands größtem Handelskonzern abspielt, lässt sich mit einem Wort beschreiben: Führungschaos. Nach Vorstandschef Eckhard Cordes tritt nun auch der Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Kluge ab. Damit stürzen die beiden Manager den Düsseldorfer Konzern mit seinen weltweit 280 000 Mitarbeitern in ein Machtvakuum.

Dass die beiden wichtigsten Führungskräfte eines Konzerns innerhalb weniger Tage überraschend ihren Rückzug ankündigen, ist – gelinde gesagt – eine Seltenheit im deutschen Top-Management. „Das habe ich in dieser Form noch nicht erlebt“, räumt der erfahrene Beobachter Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) unumwunden ein.

Metro-Aufsichtsratschef Jürgen Kluge teilte in einem zweiseitigen Schreiben mit, dass der Konzern ab November ohne ihn planen müsse. Nach den „Auseinandersetzungen um die Führung“ der Metro sei jetzt „Zeit für einen echten Neuanfang“. Erst vor einer Woche war es Metro-Vorstandschef Cordes, der Konsequenzen aus dem wochenlangen Machtkampf gezogen hatte. Kurios: Eigentlich wäre es nun die Aufgabe von Kluge gewesen, einen Nachfolger für Cordes zu suchen.

Diesen Job soll nun offensichtlich Franz Markus Haniel erledigen. Er will die Lücke füllen, die der einstige McKinsey-Deutschlandchef Kluge hinterlässt. Das Clan-Oberhaupt der Duisburger Eignerfamilie Haniel soll in den Metro-Aufsichtsrat einziehen, erklärte ein Haniel-Sprecher. Das Gremium müsse dann selbst über seinen Vorsitzenden entscheiden.

Aktie hat gelitten

Die Gemengelage ist komplex: Jürgen Kluge ist zugleich Vorstandschef des Duisburger Haniel-Konzerns. Diese Aufgabe solle der Manager auch „dauerhaft fortsetzen“, teilte Franz Markus Haniel mit. Der Duisburger Mischkonzern Haniel ist mit einer Beteiligung von 34,24 Prozent der größte Einzelaktionär der Metro AG, die milliardenschwere Familie Schmidt-Ruthenbeck hält knapp 16 Prozent der Aktien.

Die Metro-Aktie hatte in den vergangenen Monaten ohnehin gelitten und gerade einmal Kurse um die 30 Euro erreicht. Haniel hatte rund das Doppelte gezahlt, als der Konzern seinen Anteil bei der Metro aufgestockt und zusammen mit Schmidt-Ruthenbeck das Sagen beim Düsseldorfer Konzern übernommen hatte.

Im seit Monate währenden Führungsstreit bei der Metro spielte Kluge nicht immer eine glückliche Rolle. Einerseits unterließ er es lange Zeit, Cordes den Rücken zu stärken, andererseits gelang es ihm auch nicht, einen Nachfolger zu präsentieren. Cordes hatte erklärt, es fehle „eine vertrauensvolle Basis“ für einen Verbleib an der Konzernspitze. Wochen zuvor machten sorgsam platzierte Gerüchte die Runde, der 60-jährige verfüge nicht mehr über eine Mehrheit im zuständigen Aufsichtsrat. Vor gut einer Woche kündigte Cordes an, für eine Verlängerung seines bis Ende Oktober 2012 laufenden Vertrags nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Machtkampf

Kluges Abschiedsworte wiederum lassen erahnen, welche Wunden im Machtkampf aufgerissen wurden. „Die öffentliche Diskussion um die Führung der Metro hat die Atmosphäre beeinträchtigt“, erklärte er. Und: „Ich bin davon überzeugt, dass persönliche Befindlichkeiten hinter die Interessen des Unternehmens zurücktreten müssen und möchte mit diesem Schritt neuen Freiraum schaffen.“

Vom Rücktritt des Metro-Aufsichtsratschefs wurden auch Aktionärsschützer überrascht. „Das ist ein Ausmaß an Chaos, das so nicht zu erwarten war“, sagte Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. „Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass ein Dax-Konzern innerhalb so kurzer Zeit Aufsichtsrats- und Vorstandschef verliert.“

Cordes und Kluge hinterlassen bei der Metro ohnehin viele Probleme. Die einstigen Ertragsperlen Media-Markt und Saturn bereiteten dem Konzern nun Probleme und sind zwischenzeitlich in die Verlustzone gerutscht. Außerdem tobt ein Machtkampf zwischen der Metro-Spitze und den Media-Saturn-Gründern Erich Kellerhals und Leopold Stiefel. „Es wäre sinnvoll, wenn sich das Management künftig mit dem Geschäft und nicht mehr vor allem mit sich selbst beschäftigen würde“, mahnte DSW-Sprecher Kurz. „Eigentlich hat das Unternehmen genug Baustellen.“