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Michael Bültmann, Deutschland-Chef von Nokia, verteidigt den umstrittenen Rückzug aus Bochum. Auch für die Schließung des Werks in Rumänien gebe es gute Argumente, sagt er im Gespräch mit DerWesten.

Bei Nokia wiederholt sich eine Geschichte. 2008 haben Sie das Werk in Bochum geschlossen und die Produktion ins billigere Rumänien verlagert. Nun wollen Sie auch die rumänische Fabrik in Cluj schließen, weil sich in China die Kosten noch mehr drücken lassen. Das ist Karawanen-Kapitalismus - oder?

Bültmann: Die Schließung von Produktionsstandorten ist kein Karawanen-Kapitalismus, sondern eine unternehmerische Entscheidung, die wir uns auch aktuell nicht leicht gemacht haben. Wir agieren auf einem sehr dynamischen Markt mit einem extrem harten Wettbewerb. Wenn sich die Welt um uns herum ändert, müssen wir darauf reagieren. Für die Einsteigerhandys, wie sie auch in Cluj produziert wurden, sind viele Zulieferbetriebe und Komponentenhersteller in Asien. Genauso wie viele große Märkte. Somit macht auch die Produktion vor Ort sehr viel Sinn.

War es ein Fehler, das Werk in Cluj aufzubauen?

Bültmann: In der Rückschau ist man oft schlauer. Als wir die Entscheidung für Cluj getroffen haben, war sie richtig. Heute ist die gesamte Situation anders als vor ein paar Jahren. Wenn wir uns für einen Produktionsstandort entscheiden, schauen wir auch nicht allein auf die Lohnkosten. Insbesondere muss auch das Umfeld stimmen. Wir sind auch nicht der einzige Handykonzern, der Produkte außerhalb Europas fertigen lässt. In Deutschland setzen wir dafür sehr stark auf Forschung und Entwicklung. Sowohl Ulm als auch Berlin sind hier sehr gute Beispiele.

„Subventionen nicht ausschlaggebend für Standortentscheidungen“

In Bochum haben Sie staatliche Subventionen in Millionenhöhe erhalten. Auch Rumänien lockte Nokia mit Fördergeldern. Hat es bei Ihnen System, Subventionen anzunehmen, um nach einiger Zeit zum nächsten Land weiterzuziehen?

Bültmann: Unsere Investition in das Werk in Cluj betrug rund 60 Millionen Euro. Somit sind Subventionen erkennbar allein nicht ausschlaggebend für eine Standortentscheidung. Fördergelder können bei einer Entscheidung für einen Standort, wenn alle anderen Bedingungen stimmen, einen weiteren Gesichtspunkt bei einer Entscheidung darstellen. Im Übrigen gehört zu einer Gesamtbetrachtung auch, dass wir in Bochum über Jahre hinweg ein guter Arbeitgeber waren und Steuergelder in Millionenhöhe gezahlt haben. Die Gesamtrechnung für die Stadt Bochum und das Land Nordrhein Westfalen war zweifellos positiv.

Warum haben Sie eigentlich nie Subventionen an den deutschen Staat zurückgezahlt, obwohl die Bundesrepublik sogar gegen Nokia vor Gericht gezogen ist?

Bültmann: Nokia hat die Fördergelder der Bundesrepublik bedingungs- und zweckgemäß eingesetzt und transparent über deren Nutzung informiert. Auch mit dem Land Nordrhein-Westfalen sind wir bezüglich der Subventionen zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen.

Einige Beschäftigte, die früher für Nokia gearbeitet haben, sind noch heute arbeitslos. Bedrückt Sie das?

Bültmann: Wir haben uns vom ersten Moment an sehr dabei engagiert, unsere Beschäftigten auf der Suche nach neuen Arbeitsplätzen zu unterstützen. Neben einem für die Mitarbeiter sehr vorteilhaften Sozialplan haben wir gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Bochum das Programm „Wachstum für Bochum“ ins Leben gerufen und hierfür zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Von diesem Programm profitieren heute etliche universitären Einrichtungen und auch einige mittelständische Unternehmen, die wichtige Arbeitgeber im Ruhrgebiet waren oder erst duch das Programm geworden sind.

„Wir holen im Smartphone-Bereich auf“

Aber die Suche nach einem Investor für das komplette Nokia-Gelände in Bochum blieb erfolglos.

Bültmann: Aber die Ansiedlung einiger erfolgreicher Unternehmen auf dem früheren Nokia-Gelände ist gelungen.

Wie stehen Sie dazu, dass viele gut ausgebildete Mitarbeiter, die früher bei Nokia gearbeitet haben, zum Blackberry-Hersteller RIM in Bochum gewechselt sind? Gerade bei den Smartphones hat Nokia einen Trend verschlafen.

Bültmann: Wir holen im Smartphone-Bereich auf und investieren massiv in Forschung und Entwicklung. Innerhalb von Nokia spielen unsere deutschen Standorte eine zentrale Rolle. Mehr als 1400 Mitarbeiter befassen sich in Berlin und Ulm damit, Navigationstechnologien zu entwickeln und im Bereich Einsteigerhandys zu forschen. In Ratingen haben wir unsere Vertriebs- und Marketingaktivitäten angesiedelt. Insgesamt haben wir seit 2009 unsere Mitarbeiterzahl in Deutschland um rund 25 Prozent gesteigert – gerade im Bereich Forschung und Entwicklung.

Ihren Standort in Bonn wollen Sie aber aufgeben?

Bültmann: Wir erwarten die besten Ergebnisse, wenn wir unsere Mitarbeiter an einigen Standorten jeweils zu bestimmten Themen-Schwerpunkten zusammenziehen. In Berlin zum Beispiel arbeiten über 600 Mitarbeiter an Navigation und Kartentechnologie. Im Verhältnis dazu ist Bonn vergleichsweise klein. Insgesamt werden die Nokia-Beschäftigten in Deutschland von der beschlossenen Neuaufstellung profitieren. Deutschland als größte europäische Volkswirtschaft ist für uns nicht nur ein wichtiger Absatzmarkt, sondern auch ein bedeutender Standort für Forschung und Entwicklung.

Die Werkschließungen in Bochum und Rumänien haben dem Image von Nokia geschadet. Was wollen Sie tun, um das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen?

Bültmann: Wir glauben, dass wir durch sehr attraktive Produkte und Services, wie zum Beispiel kostenfreie Navigation, die auch in Deutschland entwickelt wird, Kunden überzeugen können. Zudem versuchen wir, offen und ehrlich über schmerzhafte, aber notwendige Schritte zu sprechen und zugleich, wie wir es auch in der Vergangenheit stets getan haben, unsere betroffenen Mitarbeiter zu unterstützen. Dies zum Beispiel auch durch betriebsinterne Programme.