Essen. . Facebook plant fundamentale Änderungen: Das größte Online-Netzwerk der Welt wird zum Internet-Tagebuch, das sich dank automatisierter Datenerfassung quasi von selbst schreibt. 600 Millionen Nutzer sollen Facebook eine nie gekannte Flut persönlicher Daten überlassen. Datenschützer sind alarmiert.
Künftig weiß Facebook, wo Sie am liebsten joggen, wo Sie morgens Ihren Kaffee trinken gehen und welchen Film Sie gerade schauen. Nicht neu? Doch. Denn künftig müssen Sie diese Daten nicht mehr persönlich im größten Online-Netzwerk der Welt eingeben, Facebook weiß das automatisch. Moderne Handys mit GPS und die entsprechende Software machen es möglich. Wenn der Nutzer das Netzwerk denn lässt. Datenschützer warnen davor aber eindringlich.
Als Mark Zuckerberg am Donnerstag in San Francisco vor die Presse trat, um das Facebook der Zukunft vorzustellen, da tat er das gewohnt lässig. Doch das, was der Gründer und Eigner des größten sozialen Online-Netzwerks im Gepäck hatte, ließ die Branche aufhorchen und den einen oder anderen Unternehmenschef zusammenzucken. Denn Facebook möchte künftig nicht nur alles von seinen Nutzern wissen, sondern auch deren Medienkonsum aktiv beeinflussen. Mit entsprechenden Folgen etwa für die Musik- und Filmindustrie.
Alles auf Automatik
Facebook soll künftig für seine Nutzer zum Dreh- und Angelpunkt jeglicher Aktivitäten im Netz werden. Schaut der Nutzer gerade einen Film, teilt das Netzwerk das allen anderen mit. Hört er gerade eine CD, dürfen Freunde mithören. „Open Graph“ heißt der Algorithmus, der Unternehmungen automatisch analysiert und veröffentlicht. Mark Zuckerberg verspricht aber, dass Nutzer immer noch selber entscheiden, was automatisch erfasst wird.
Kritiker haben daran Zweifel. Bereits in der Vergangenheit habe Facebook Neuerungen automatisch aktiv gestellt, sagt der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert. Die Nutzer hätten selbst aktiv werden müssen, um Funktionen auszuschalten. Weichert fürchtet, dass das auch bei „Open Graph“ der Fall sein wird.
„Ich kann jedem nur raten, entweder ganz die Finger davon zu lassen oder es sehr vorsichtig zu nutzen“, sagt Thilo Weichert. Er hatte das US-Unternehmen bereits mehrere Male wegen seines laxen Umgangs mit persönlichen Daten gerügt.
Weichert fürchtet, dass Facebook mit den geplanten Änderungen seine Vormachtstellung im Netz weiter ausbauen könnte. „Facebook und das Internet werden für viele Nutzer zum Synonym“, so Weichert. Binde das Unternehmen weitere Firmen an sich, gäbe es für die Nutzer keinen Anlass mehr, sich außerhalb des Netzwerks im Internet zu bewegen. Das ermögliche Facebook, noch gezielter Daten über seine Nutzer zu sammeln.
Freunde nicht belästigen
Einiges soll aber auch ohne großes Zutun des Nutzers erfasst und im Netzwerk verbreitet werden. Damit Freunde des Nutzers damit nicht unnötig belästigt werden, lagert Facebook diese Form der Beobachtung in einem separaten Fenster auf der Homepage aus. Dieser Bereich ist bereits jetzt schon verfügbar und steht in der Regel am rechten Bildschirmrand über dem Chat, der Funktion von Facebook, in der man sich direkt mit Freunden schreiben kann.
Die Zeitleiste erfasst alles
Damit all diese Ereignisse auch nicht in Vergessenheit geraten, werden sie auf Facebook-Computern gesichert und in einer nach Tagen und Monaten sortierten Zeitleiste im Profil des Nutzers verewigt, Die „Timeline“ umfasst Bilder, Freundschaftsanfragen, alle vom Nutzer empfohlenen Internet-Inhalte wie Videos und Texte, aber auch jegliche Kommentare zu Beiträgen anderer Nutzer. Wer wissen möchte, was er etwa im Juli auf Facebook geschrieben hat, kann das jederzeit nachschlagen.
Riesiger Werbemarkt
Facebook erweitert seine Funktionen natürlich nicht nur, um den Nutzern einen Gefallen zu tun. Je dichter die gesammelten Nutzer-Infos, desto einfacher lässt sich Werbung adressieren. Firmen, die so noch genauer ihre Zielgruppe ansprechen können, werden das zu schätzen wissen. Und Gefahr laufen, in die Abhängigkeit von Facebook zu geraten. Will ein Filmverleiher seine Streifen auf Facebook ausstrahlen, will das Netzwerk mitverdienen. Wie das geht, hat Apple bereits vorgemacht.