Essen. . Die Eurokrise weitet sich aus. Während Griechenland gegen seine Pleite ankämpft, wurde nun die Kreditwürdigkeit Italiens herabgestuft. Zudem zogen der Siemens-Konzern und die Bank of China ihre Gelder aus französischen Großbanken ab.
Die Ereignisse in der Eurokrise überschlagen sich, aus der Schulden- wird eine Bankenkrise – und die Politik kommt nicht mehr mit. Dieses ungute Gefühl beschleicht keine Geringeren als die wichtigsten Berater der Bundesregierung. Die Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro ermahnte vor laufenden Jauch-Kameras den Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), die Politik müsse jetzt schnell handeln, um das Schlimmste zu verhindern. Als Antwort erhielt sie den immer gleichen Satz: Die Dinge müssten sorgfältig diskutiert werden.
Wie schnell sich die Finanzwelt während der sorgfältigen Diskussionen weiter dreht, zeigte der Dienstag: Die Kreditwürdigkeit Italiens wurde herabgestuft, aus französischen Banken massiv Kapital abgezogen. Ökonomen sehen die Dominosteine bereits fallen. Welche Nachricht welche Folgen haben könnte:
Siemens bringt Geld in Sicherheit
Dass ein Konzern sein Geld aus Privatbanken abzieht, um es bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Sicherheit zu bringen, hat eine neue Qualität. Wie aus drei Quellen berichtet wurde, hat Siemens über seine eigene Hausbank eine halbe Milliarde Euro von einer französischen Großbank zur EZB verschoben. Bereits im Juli hatte Siemens laut Dow Jones Newswire eine halbe Milliarde bei der Société Générale abgehoben. Insgesamt zog der Münchner Konzern also eine Milliarde Euro aus Frankreich ab.
Als Gründe werden höhere Zinsen bei der EZB genannt, aber auch die Sorge um die Bonität der französischen Bank und damit um die Sicherheit des eigenen Geldes. Letzteres passt zur vorsichtigen Linie von Siemens. Der Konzern hatte als Reaktion auf die Finanzkrise seine Geldgeschäfte selbst in die Hand genommen und Ende 2010 die Siemens Bank gegründet.
Obwohl nur wenige Konzerne eigene Banken unterhalten und somit Zugang zur Zentralbank haben, zeigte sich selbst ein EZB-Berater mit Innenansicht wie der Essener Ökonom Ansgar Belke überrascht und voller Sorge über den „Symbolwert der Aktion“ und warnt vor Ansteckungsgefahren für Europas Banken.
Experten besorgt
Es traf nicht zufällig französische Institute, sondern weil diese besonders viele Anleihen des Krisenstaats Griechenland halten. Aus diesem Grund beendete auch die Bank of China Devisengeschäfte mit der Société Générale, Crédit Agricole und BNP.
„Wenn man die Siemens-Denke auf die Investoren überträgt – und dies sollte man – dann ist die Krise schon viel weiter vorangeschritten als an der Oberfläche deutlich wird“, sagte Belke.
Was passiert, wenn Banken zu viel Eigenkapital verlieren, weiß man aus 2008: Nach der Lehman-Pleite misstrauten die Banken sich gegenseitig und liehen sich kein Geld mehr. Wenn das geschieht, droht laut Belke eine „abrupte Rezession“. Deshalb sagt auch er: „Die Politik muss rasch handeln. Sie darf nicht warten, bis der Interbankenmarkt wieder zusammenbricht.“
Rettungsschirm droht an Grenzen zu stoßen
Italiens Ministerpräsident Berlusconi witterte politische Verschwörung, ein EU-Sprecher nannte die Herabstufung Italiens durch die Ratingagentur Standard&Poor’s „nicht stichhaltig“. An den Folgen ändert das nichts: Das hochverschuldete Land wird für neue Kredite höhere Zinsen zahlen müssen. Das erhöht die Schulden noch weiter, es sei denn, Italien spart noch härter als angekündigt. Allein durch Steuererhöhungen will Italien 40 Milliarden Euro mehr einnehmen. Das bremst die Wirtschaft und schürt Sorgen vor einer Abwärtsspirale. Zumal die italienischen Banken im Normalfall von den Märkten für die Krise des Staates in Mithaftung genommen werden. Auch ihnen droht ein Kapitalabzug und damit die Rolle eines Dominosteins.
Sollte der europäische Rettungsschirm auch Italien helfen müssen, stößt er an seine heute schon für normale Bürger unvorstellbar hohen Grenzen von 440 Milliarden Euro.