Essen.. Medienkritiker Bernd Gäbler hat die Talk-Shows satt. In einer Studie beklagt er immer dieselben Gäste und starre Rituale. Der Zeitpunkt für seine Kritik ist klug gewählt: Im September startet Neu-Talker Günther Jauch.
Einst waren sie beim Publikum berühmt und bei Politikern berüchtigt: die Polit-Magazine. Vom Glanz früherer Zeit blieb nicht viel für „Monitor“, „Panorama“ & Co. Heute wirken die Formate eher den Sepia-Ton der Nostalgie. Die Magazine – sie wurden verdrängt von Talkshows. Ein Wandel zum Besseren? Keineswegs, befindet Medienkritiker Bernd Gäbler. Seine These: Show geht vor Info. Folgerichtig setzen die Talks auf einen bestimmten Gäste-Typ: den unterhaltsamen Politiker.
In einer Studie für die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung kam Gäbler zu der Erkenntnis: „Die Talkshows sind in das Zentrum der televisionären Politikdarstellung und -vermittlung gerückt.“ Die ARD positioniert sich nach der Sommerpause als Talksender. Vier Politik-Plauderer – Anne Will und Frank Plasberg, Sandra Maischberger und Reinhold Beckmann – beschäftigte das Erste bisher. Mit Günther Jauch sind es nach den Ferien fünf. Das ZDF wartet mit Maybrit Illner auf, Sonntagstalker Peter Hahne spielt, bei allem Respekt, nur eine untergeordnete Rolle. Selbst die Privaten gönnen sich, wenn auch in deutlich kleinerem Rahmen, Welterklärer wie Michel Friedman bei N24 und Heiner Bremer bei n-tv.
„Das erste bis zehn Gebot lautet: Bleiben Sie dran!“
Diese Sendungen unterlaufen Gäbler zufolge ihren Erkläranspruch, wie so viele andere Info-Sendungen, durch den Zwang, ihr Publikum bei Laune zu halten: „Das erste bis zehnte Gebot für die ,Macher’ lautet auch hier: ,Bleiben Sie dran!’“ Folgerichtig unterliege die Themen-Setzung der Talks „Konjunkturen und Quotenkalkülen“. Sie seien, klagt Gäbler, „nie vorausschauend, immer reaktiv“. Wolkig gehe vor handfest, gefühlig vor erklärend, schlicht vor schwierig.
Das Fernsehen präsentiert Gäbler zufolge „die immer wieder gleichen Gäste“, darunter graue Eminenzen wie Arnulf Baring und Hans-Olaf Henkel oder übliche Verdächtige wie Gesundheitsexperte Karl Lauterbach oder Jugendgewaltforscher Christian Pfeiffer. Warum? Die Teilnehmer der televisionären Debattier-Clubs müssen „fernsehgerecht“. Sie müssen laut Gäbler bei ihrer Meinung bleiben, „schlagfertig sein und auf Pointe hin sprechen können“. Talks prägen „wesentlich das Image einzelner Politiker“.
Schlichtes „Schema von Konflikt und Konsens“
Die Dramaturgie der Talks bestimmt Gäbler zufolge nicht der Austausch von Argumenten, sondern ein schlichtes „Schema von Konflikt und Konsens“.
Einen Wandel bei den TV-Stammtischen beobachtete Gäbler denn doch: Früher lähmte parteipolitischer Proporz die Debatten, heute nervt Gäbler „die ständige Inszenierung einer Zwei-Welten-Lehre zwischen Politik und Lebenswirklichkeit“. In der Regel seien nur noch zwei von fünf Positionen Politikern zugewiesen. Dafür geben sich Journalisten oft als Stimme der Bürger, zudem werden Experten gern genommen, überdies führen die Talks gern Betroffene vor – alles inflationär.
Laut Gäbler dämmern die Talks ihrem Ende entgegen, es sei denn, den Talkern dämmert, dass ihr Genre einen Neuanfang braucht – von konkreten Themen bis zu offenen Debatten.