München. . Lehrlinge und Studenten können die Kosten ihrer Ausbildung künftig leichter steuerlich geltend machen. Das geht aus zwei Grundsatzurteilen des Bundesfinanzhof hervor. Damit wird einer gängigen Praxis der Finanzämter ein Riegel vorgeschoben.
Große Entlastung für junge Leute: Die Ausgaben für eine selbst bezahlte Ausbildung oder ein Studium können von der Steuer abgezogen werden. Das gab der Bundesfinanzhof am Mittwoch in München bekannt. Die Regelung gilt mindestens vier Jahre rückwirkend für die erste Berufsausbildung oder das erste Studium nach Schulabschluss. Die Richter des VI. Senats am höchsten deutschen Finanzgericht kippten damit das seit 2004 geltende Abzugsverbot.
Das Bundesfinanzministerium gab sich völlig überrascht über das Urteil, dass erhebliche Steuerausfälle bringen könnte. „Wir müssen gucken, wie auf dieses Urteil zu reagieren ist“, sagte Sprecher Martin Kotthaus in Berlin. Auch die Experten im Haus seien überrascht worden. Deshalb seien noch keine Aussagen über die Auswirkungen auf den Haushalt möglich.
Vorweggenommene Werbungskosten
Die Richter waren in zwei Musterverfahren zu dem Schluss gekommen, dass beruflich veranlasste Kosten auch dann steuerlich als Werbungskosten absetzbar sind, wenn sie direkt im Anschluss an eine Schulausbildung entstanden.
In einem der beiden Fälle hatte der Kläger bei einer Tochtergesellschaft einer Fluglinie die Ausbildung zum Berufspiloten durchlaufen. Die Kosten von annähernd 28.000 Euro wollte er in seiner Einkommensteuererklärung 2004 geltend machen und die vielen tausend Euro als steuerlichen Verlust für spätere Zeiten festschreiben lassen. Er berief sich darauf, dass diese Ausbildungskosten vorweggenommene Werbungskosten für seine künftige nicht selbstständige Tätigkeit als Pilot seien.
Finanzämter unterliegen
Im anderen Streitfall hatte die Klägerin ihre Schulausbildung 2004 mit dem Abitur abgeschlossen und anschließend ein Medizinstudium aufgenommen. Auch sie machte ihre Aufwendungen für das Studium als vorweggenommene Werbungskosten geltend und beantragte ebenfalls eine entsprechende Verlustfeststellung.
In beiden Fällen hatten die Finanzämter jedoch abgewunken und sich auf die seit 2004 geltende Regelung durch Paragraf 12, Nummer 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berufen. Danach sind Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium nicht abziehbar, wenn sie nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Dieser Auffassung schloss sich der Bundesfinanzhof in beiden Urteilen aber nicht an. Die Entscheidung betrifft neben dem Studium kostenpflichtige Ausbildungen, etwa zum Piloten oder auch zum Heilpraktiker. Lehrverhältnisse mit Ausbildungsvergütung sind nicht gemeint.
„In dieser Dimension unerwartet“
Wie das Finanzministerium zeigte sich auch der bildungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Patrick Meinhardt, überrascht. „Die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs zur steuerlichen Absetzbarkeit von Studien- und Ausbildungskosten kommen in dieser Dimension vollkommen unerwartet, setzen aber ein politisch richtiges Zeichen“, erklärte der FDP-Politiker. Dies sei für die Bildungsfinanzierung eine Trendwende und biete eine „attraktive Perspektive“.
(Aktenzeichen: BFH VI R 38/10, Urteil vom 28.07.11, sowie BFH VI R 7/10, Urteil vom 28.07.11)