Essen. . RWE-Chef Jürgen Großmann akzeptiert in einer Sitzung mit den kommunalen Anteilseignern das Primat der Politik. Nach der Sommerpause will er Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen.

Eine Sitzung mit Anteilseignern ist für die Chefs der deutschen Energiekonzerne in diesen Tagen alles andere als ein Vergnügen. Der Atomausstieg hat die Aktienkurse stramm auf Talfahrt geschickt, Gewinne brechen ein, die Ausschüttungen an die Aktionäre geraten in den Abwärtssog. Es gibt nettere Termine, als Investoren den Wertverlust ihres Vermögens erklären zu müssen.

RWE-Chef Jürgen Großmann steht doppelt unter Druck. Der Essener Konzern hat unter seinen Anteilseignern einen starken Block aus Kommunen, und die leiden nicht nur unter dem Kursverfall, sondern auch politisch unter Großmanns Klagen gegen Moratorium und Brennelementesteuer.

Jedenfalls gab es im April aus einigen SPD-geführten Städten wie Mülheim und Dortmund mächtig Gegenwind. „Unverantwortlich“, so tönte es aus Mühlheim, sei es, den Konsens in Politik und Gesellschaft „juristisch zu unterlaufen“. Kurzum: Die gestrige Sitzung des RWE-Beirats mit kommunalen Vertretern zur Strategie des Konzerns nach der Energiewende bot Zündstoff. Wie zu hören war, blieb die Lunte aber aus.

Primat der Politik uneingeschränkt akzeptiert

Dem Vernehmen nach verlief die Sitzung ruhig, einige wenige kritische Stimmen allerdings waren laut Teilnehmern dann doch zur RWE-Klage zu hören. Großmann habe in seiner Rede jedoch das Primat der Politik uneingeschränkt akzeptiert. Die Kernenergie habe er als „Abwicklungsfrage“ bezeichnet, im operativen wie im juristischen Sinne. Die Klagen gegen das Moratorium sowie gegen die Erhebung einer Brennelementesteuer würden jedoch aufrechterhalten. Der RWE-Chef habe dies mit den Eigentumsrechten der Aktionäre begründet, die es zusammen mit Schadenersatzansprüchen zu wahren gelte. Ob der Konzern die Klagen durchfechten werde, habe Großmann offen gelassen. Ein Oberbürgermeister lobte „die Versachlichung“ der Debatte, die nach Fukushima sehr aufgeheizt gewesen sei. Die Teilnehmer hätten die RWE-Argumentation mit Blick auf die Vermögenssicherung akzeptiert und nachvollzogen. Was das zuletzt doch arg angespannte Verhältnis zur Bundesregierung angeht, habe der Vorstandschef laut Teilnehmern ein Signal der Entspannung bereit gehalten: Er werde nach der Sommerpause mit Kanzlerin Angela Merkel zusammentreffen.

„RWE ist es ernst mit der Energiewende“

Großmann habe zudem eine enorme Verunsicherung des Kapitalmarktes durch die Politik beklagt. Seit Mai 2010 habe der Kurswert des Konzerns um 13 Milliarden Euro abgenommen. Diese Summe sei weit überhöht im Vergleich zu den tatsächlichen Belastungen durch den Ausstieg aus der Kernenergie.

Diese Kosten könne der Konzern mittel- bis langfristig zumindest teilweise ausgleichen: etwa durch steigende Strompreise. In Folge der Abschaltung der älteren Kernkraftwerke seien die Großhandelspreise um zehn Prozent gestiegen. Insgesamt fehlten RWE zunächst aber in den nächsten Jahren mehrere Milliarden Euro.

Weiter habe der Konzern-Chef vor den kommunalen Aktionären deutlich gemacht, dass höhere Dividenden nicht möglich seien. Die Verschuldung des Konzern könne sich weiter verschlechtern, die Ratingagenturen, die über ihre Bonitätsnoten die Höhe der Zinszahlungen von RWE bestimmen, stünden einer höheren Ausschüttung entgegen.

Großmann habe vor diesem Hintergrund auch Spekulationen über eine Kapitalerhöhung, weitere Verkäufe sowie die Suche nach einem Partner angesprochen. Dabei habe er auf die Aufsichtsratssitzung im August verwiesen, die Öffentlichkeit solle Mitte August über die strategischen Schritte informiert werden. Dabei habe der Konzernchef auf die Beschäftigungsgarantie bis Ende 2012 verwiesen.

Nachdem Großmann jüngst von einer wachsenden Gefahr einer feindlichen Übernahme gewarnt hatte, habe er nun gesagt: Die Gefahr einer schnellen feindlichen Übernahme sei nicht gegeben. Deutschland werde für RWE der relevante Markt bleiben, auch wenn RWE international im europäischen Ausland wachsen wolle. 70 Prozent der künftigen Investitionen entfielen auf die Energiewende. RWE sei es ernst mit der Energiewende.