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Zahlen sagen alles und nichts. Die neuen Arbeitslosenzahlen vom Mai etwa dokumentieren eine deutliche Entspannung – sie sind so niedrig wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Sie dokumentieren aber auch einen tief gespaltenen Arbeitsmarkt, der ganz neue Probleme aufwirft. Einen in manchen Branchen schon jetzt spürbaren Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften auf der einen Seite – und ein Zwei-Millionen-Heer von weitgehend chancenlosen Langzeitarbeitslosen.
Schon jetzt wird im Ruhrgebiet ein Problem wie unter dem Brennglas sichtbar, das Experten im Zuge der Alterung unserer Gesellschaft für die kommenden Jahre vorausgesagt haben. Während die qualifizierten Arbeitslosen immer weniger werden, gab es im Mai an Rhein und Ruhr sogar mehr Langzeitarbeitslose als ein Jahr zuvor.
Mit nur noch knapp 50 000 wird nicht einmal mehr jeder fünfte Arbeitslose im Ruhrgebiet von den Agenturen betreut, die sich um die Kurzzeitarbeitslosen kümmern. Der große Rest füllt nach wie vor die Flure der Hartz-IV-Behörden. 210 000 Langzeitarbeitslose und deren Familien beschäftigen die Jobcenter unverändert. Zum Vergleich: Bundesweit kommen auf einen Kurzzeitarbeitslosen nur zwei Langzeitarbeitslose.
Das Ruhrgebiet gewährt damit der Republik einen Blick in die Zukunft: Der befürchtete Fachkräftemangel geht nicht mit Vollbeschäftigung einher, sondern produziert zigtausende unbesetzte Stellen trotz eines beträchtlichen Sockels an gering qualifizierten Arbeitslosen. In NRW waren Ende Mai knapp 100 000 Stellen unbesetzt – 35 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Suche nach dem geeigneten Bewerber dauert laut der Landesarbeitsagentur deutlich länger als früher.
Die Liste der Branchen, in denen es bereits zu Personalengpässen kommt, wird jeden Monat länger. Im Mai sieht die NRW-Statistik einen Mangel an Metallbearbeitern, Elektrotechnikern, Rohrinstallateuren, Schlossern, Krankenschwestern, bei Erzieherinnen, Altenpflegerinnen, Ärzten und Ingenieuren des Maschinen- und Fahrzeugbaus.
Insgesamt sinkt die offizielle Arbeitslosenzahl nicht nur, sie wird auch immer ehrlicher. Alle Statistik bereinigenden Ein-Euro-Jobs, Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen mit eingerechnet, waren bundesweit im Mai vier Millionen Menschen arbeitslos. Das sind 530 000 weniger als im Mai 2010. Die tatsächliche Unterbeschäftigung ist weit stärker gesunken als die offizielle Arbeitslosenzahl. Der Grund: Es werden weniger Fördermaßnahmen vergeben, allein in NRW fielen 50 000 weg.