Essen. . Während Deutschland über einen Atom-Ausstieg debattiert, zieht es den Essener Energiekonzern RWE ins Ausland. Das Unternehmen wird sich am Atomkraftwerk Borssele, nur 100 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, beteiligen.

Der Energiekonzern RWE steht nach über zweijährigem juristischen Tauziehen vor dem Einstieg in das einzige Atomkraftwerk der Niederlande. Das Unternehmen habe sich mit dem niederländischen Versorger Delta auf den gemeinsamen Betrieb des AKW Borssele verständigt, teilte der Essener Energiekonzern am Dienstag mit. RWE halte 30 Prozent an dem 500 Megawatt-Meiler im Südwesten des Lande, Delta den Rest. Zu den Kosten für den Einstieg äußerte sich der Konzern nicht. Eine mit dem Vorgang vertraute Person bezifferte die Summe auf rund 600 Millionen Euro.

Da das Kraftwerk nur rund 200 Kilometer von der Grenze entfernt steht, könnte es auch einen Teil des Strombedarfs in Deutschland decken.

Während RWE-Chef Jürgen Großmann zu Hause um seine Meiler fürchtet, macht die Einigung in den Niederlanden für RWE den Weg frei für den ersten Betrieb eines Atomkraftwerks im Ausland. In Deutschland betreibt RWE fünf Atomkraftwerke, darunter die im Zuge des Atom-Moratoriums von Bundeskanzlerin Angela Merkel stillgelegten Meiler Biblis A und B.

Rechtsstreit beendet

RWE hatte nach der Übernahme des niederländischen Versorgers Essent im Jahr 2009 Anspruch an dessen 50 Prozent-Anteil an dem AKW angemeldet. Der Rivale Delta, dem die andere Hälfte gehört, hatte dagegen jedoch vor Gericht Einspruch eingelegt. Daraufhin hatte RWE erklärt, ohne das Borssele-Paket rund 950 Millionen Euro weniger zu zahlen. Der Anteil blieb in der Hand der Essent-Eigner. Die niederländischen Provinzen und Gemeinden werden nun ausgezahlt. Von Delta war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

RWE-Chef Großmann hat erklärt, im Ausland weitere Atomkraftwerke bauen zu wollen. So will RWE etwa mit dem größten deutschen Versorger Eon mehrere Meiler in Großbritannien hochziehen. „Spiegel Online“ berichtete am Dienstag ohne Angaben von Quellen, RWE wolle sich in Borssele an dem Bau eines zweiten Meilers beteiligen. „Es gibt hierzu überhaupt keinen Beschluss“, sagte ein RWE-Sprecher. Die niederländische Regierung hat erklärt, einen zweiten Meiler errichten zu wollen. Delta und die von niederländischen Kommunen gehaltene Energy Resources Holding haben ihr Interesse daran bereits angemeldet. (rtr)