Mülheim/Bottrop. . Energiesparlampen und Energieeffizienz-Klassen für Elektrogeräte geraten immer mehr in die Kritik. Jetzt hat auch noch eine Stichprobe des NDR ergeben, dass Sparlampen während des Betriebs giftige Dämpfe absondern.
Die Glühlampe verschwindet schrittweise vom Markt, Hersteller müssen darüber informieren, wie viel Strom ein Elektrogerät verbraucht. Fortschritte, die auf die Ökodesign-Richtlinie der EU zurückzuführen sind. Und dennoch reißt die Kritik an den Brüsseler Vorschriften nicht ab.
„Die Ökodesign-Richtlinie ist nicht zu Ende gedacht“, sagt Wolfgang Irrek, Professor für Energiemanagement und Energiedienstleistungen an der neuen Hochschule Ruhr West, die in Mülheim und Bottrop sitzt. Der Experte räumt zwar ein, dass seit der Einführung der Richtlinie im Jahre 2009 „die schlechtesten Technologien vom Markt verschwunden“ seien. Mehr als eine Übergangs-Technologie auf dem Weg zur jetzt noch sehr teuren LED-Technik könne die Energiesparlampe aber nicht sein.
„Die EU-Richtlinie berücksichtigt nicht, dass es Probleme bei der Sicherheit und bei der Entsorgung gibt“, meint Irrek. So wüssten viele Nutzer gar nicht, dass defekte Sparlampen in den Sondermüll gehörten, weil sie Quecksilber enthalten. Auf den Verpackungen sei auch nicht auf den ersten Blick zu erkennen, wie lange die Birne braucht, um hell zu werden. „Bei den Startzeiten gibt es sehr große Qualitäts-Unterschiede. Lampen mit ganz langen Startzeiten sind allerdings bereits verboten“, so der Wissenschaftler.
Auf Splitterschutz achten
Genau hinsehen sollte auch, wer eine besonders sichere Lampe sucht, die ohne Beunruhigung auch im Kinderzimmer eingesetzt werden kann. Irrek: „Eine Splitterschutz-Folie verhindert, dass Quecksilberdampf aus der Lampe austritt, wenn sie kaputt geht.“ Für Verbraucher sei es aber oft mühsam, sich über die Qualität des Produkts zu informieren. Irrek: „Eine bessere Kennzeichnung wäre wünschenswert.“
Wolfgang Irrek rät, Glühbirnen erst gegen Sparlampen auszutauschen, wenn sie tatsächlich kaputt sind. Würden weltweit alle Glühbirnen auf einen Schlag ersetzt, könnten 23 große Atomkraftwerke abgeschaltet werden. In Europa wären es allein drei.
Messbare Mengen an Phenol
Energiesparlampen können während des Betriebs offenbar giftige Stoffe abgeben. Die Lampen setzten dann Dämpfe frei, die im Verdacht stünden, krebserzeugend zu sein, berichtete das NDR-Magazin „Markt“ am Sonntag vorab (Sendezeit Montag, 20.15 Uhr).
Bisher war bekannt, dass Energiesparlampen Quecksilber enthalten. Dies wird aber nur freigesetzt, wenn Lampen zerbrechen. Das Magazin hatte in einer Stichprobe Energiesparlampen untersuchen lassen. Alle Lampen enthielten demnach deutlich messbare Mengen an Phenol sowie weitere giftige Stoffe. Ein Sachverständiger bestätigte dem NDR, dass diese Stoffe die Raumluft belasten können. Sie erhöhten das Risiko, an Krebs zu erkranken.
Verwirrende Effizienz-Klassen
Verwirrung gebe es aber nicht für bei den Sparlampen, sondern bei allen Elektrogeräten. Seit Jahresbeginn hat die Europäische Union die bisherigen Energieeffizienz-Klassen A bis G bei Waschmaschinen, Geschirrspülern und Kühlgeräten bis zur Klasse A+++ erweitert. Für alle anderen Geräte bleibt es bei A bis G. Bis 2020 erweitert sich die Skala jedoch auch hier schrittweise bis zur Klasse A+++. Das schafft Verwirrung. „Wer weiß schon, wie viele Plus-Zeichen es gibt“, fragt Irrek. Er wünscht sich die Rückkehr zu der bisherigen Kategorisierung A bis G.
Eine weitere Schwäche der Ökodesign-Richtlinie: „Bei Kühl- und Gefriergeräten gibt es keine Maßnahmen zur Steigerung der Wiederverwertung und nur unverbindliche Richtwerte für die Lärmbelastung“, so der Bottroper Experte.
Sparen in der Lehre berücksichtigen
Bei aller Kritik an der Ökodesign-Richtlinie der EU versucht die neue Hochschule Ruhr-West eigene Akzente zu setzen – auch bei der Lehre: Das Institut Energiesysteme und Energiewirtschaft, an dem Irrek arbeitet, stellt die nachhaltige Energieversorgung mit Wind-, Wasser- und Solarkraft in den Mittelpunkt. Auf dem Lehrplan steht auch Energiesparen. Der Professor: „Energietechnik-Studenten gucken nicht so oft auf die Nachfrageseite. Das ändern wir in unseren Veranstaltungen.“
Und: Sowohl in Mülheim als auch in Bottrop wünscht sich die neue Hochschule Ruhr West jeweils einen CO2-freien Campus. Das letzte Wort hat aber der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW.