Nürnberg. Im Herbst werden sich viele Betriebe die Gretchenfrage stellen: Wird die Kurzarbeit verlängert oder beendet? Sollte sie in vielen Unternehmen auslaufen, droht eine neue Entlassungswelle. Am stärksten sei dann die Automobil-Industrie betroffen, vermuten die Arbeitsmarkt-Experten.

Kurzarbeit bewahrt nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit momentan noch viele Beschäftigte vor der Entlassung.

«Kurzarbeit wird in großem Umfang in Anspruch genommen und stabilisiert den Arbeitsmarkt», sagte BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise am Mittwoch in Nürnberg. Aber das könnte sich bald ändern. BA-Vorstand Raimund Becker erwartet, dass sich in vielen Unternehmen «im Herbst die Gretchenfrage stellt: Wird die Kurzarbeit verlängert oder beendet? Die Agenturen rechnen mit einem hohen Zugang in Arbeitslosigkeit.»

Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen gab es im Juni 1,43 Millionen Kurzarbeiter - «das heißt, fünf von hundert Beschäftigten arbeiten kurz», erklärte Weise. Das seien deutlich mehr als noch im Frühjahr. Aber «das Instrument wird etwas weniger in Anspruch genommen, als wir es eingeschätzt hatten», sagte der BA-Chef. Im September habe die Wirtschaft wie schon im August für 100.000 Beschäftigte Kurzarbeit neu angemeldet. Seit Beginn der Krise sei damit für 3,4 Millionen Menschen in 130.000 Betrieben Kurzarbeit beantragt worden.

Autoindustrie am stärksten betroffen

Am stärksten seien die Automobilindustrie samt Zulieferern und die Logistik betroffen. Hier falle 20 Prozent der Arbeitszeit durch Kurzarbeit aus. «Villingen-Schwenningen hat die höchste Quote, dann Oberfranken, Unterfranken mit Schweinfurt sowie das Sauerland», sagte Becker. Dagegen gebe es im Dienstleistungsbereich und bei Zeitarbeitsfirmen kaum Kurzarbeit, dort seien es nur ein bis drei Prozent der Mitarbeiter.

Dass die Weltwirtschaftskrise im besonders schwer getroffenen Exportland bisher nicht mehr Menschen arbeitslos gemacht habe, sei dem Instrument der Kurzarbeit, aber auch dem Verhalten der Unternehmen und der Beschäftigten zu verdanken. «Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben Opfer gebracht», sagte Becker. Die Unternehmen hätten in Kauf genommen, dass ihre Produktivität vorübergehend deutlich zurückgehe. Die Beschäftigten hätten auf Lohn verzichtet. Auch Arbeitszeitkonten in den Firmen hätten geholfen, die Folgen der Krise für die Beschäftigten abzufedern. Außerdem gelinge der Marktausgleich mit offenen Stellen besser als früher, erklärte der Vorstand der Bundesagentur. (ap)

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