Berlin. . Brutale Übergriffe im Nahverkehr schockieren immer wieder die Öffentlichkeit. Jüngst wurde ein 20-Jähriger in der Duisburger Straßenbahn Opfer eines feigen Überfalls. Jetzt fordert die Deutsche Bahn mehr Zivilcourage von ihren Kunden.
Brutale Übergriffe in den Bahnen schockieren immer wieder die Öffentlichkeit. Jüngst wurde ein 20-Jähriger in der Duisburger Straßenbahn Opfer eines feigen Überfalls. Jetzt fordert die Deutsche Bahn mehr Zivilcourage von ihren Kunden.
Immer wieder schockieren brutale Überfälle in U- und S-Bahnen die Öffentlichkeit. Das Gefühl der Unsicherheit ist unter den Fahrgästen weit verbreitet. Dieses Problem, das sich auch auf das Image des Konzerns auswirkt, beschäftigt den Leiter der Konzernsicherheit der Deutschen Bahn, Gerd Neubeck. Mit dem früheren Richter und Berliner Vize-Polizeipräsidenten sprach Wolfgang Mulke.
Im Restaurant oder Einkaufszentrum garantieren die Betreiber die Sicherheit ihrer Kunden. Warum können sich die Fahrgäste im Nahverkehr nicht auf den Schutz der Unternehmen verlassen, zumal die Bahn Personal an den Bahnhöfen eingespart hat?
Gerd Neubeck: Grundsätzlich sind neben dem Staat die Unternehmen für die Sicherheit verantwortlich. Aber bei der Bahn sind die Dimensionen ganz andere. Im Kaufhaus postieren sie einen Wachmann am Eingang, der alles kontrollieren und gegebenenfalls einschreiten kann. Das ist bei den 5700 Bahnhöfen und täglich 27 000 Zügen schlicht unmöglich. Als DB machen wir schon heute viel für die Sicherheit. Zusätzlich haben wir beschlossen, in diesem Jahr nochmals unsere Sicherheitskräfte um 500 auf 3700 zu erhöhen. Dazu kommen noch die rund 5000 Bundespolizisten.
Warum wächst trotzdem die Gefahr, brutal überfallen zu werden?
Neubeck: Ich kann ein Stück weit beruhigen: Schon heute ist die Bahn sicherer als die meisten anderen öffentlichen Räume, da sind alle Statistiken eindeutig. Aber die Gewaltbereitschaft steigt insgesamt, das ist ein Gesellschaftsproblem. Die Ursachen sind vielfältig. Es gibt einen Verlust von Werten, schon junge Menschen vereinsamen und wollen mit einem Gewaltausbruch aus der Masse herausragen. Auch Computerspiele leisten einen Beitrag. Darauf muss eben die gesamte Gesellschaft reagieren – das können wir allein als DB nicht ausgleichen.
Aber immer häufiger reagieren nicht einmal Zeugen auf Übergriffe. Sind wir ein Volk von Feiglingen?
Neubeck: Es mangelt an Zivilcourage. Das Risiko, selbst in eine schwierige Lage zu kommen, wird von vielen nicht in Kauf genommen. Das ist teilweise auch verständlich. Sich allein gegen Gewalttäter zu stellen ist unvernünftig. Aber in diesem Fall kann man andere ansprechen und gemeinsam einschreiten oder laut um Hilfe rufen. Dann verschwinden die Täter oft schon. Nur die Augen verschließen darf niemand.
Reichen denn die Strafen für die Täter aus?
Neubeck: In so einer Situation denkt kein Täter an das Strafmaß. Höhere Strafen würden da nichts bewirken. Das ist eher im Vorfeld abschreckend. Im Erwachsenenstrafrecht wurde der Strafrahmen bei Körperverletzungen verschärft. Früher wurde ein Diebstahl oft härter bestraft. Bei den Jugendlichen sind spürbare und schnelle Sanktionen nötig. Daran hapert es noch. Wichtig ist aber, dass es erst gar nicht zu diesen Situationen kommt. Dazu tragen wir mit der verstärkten Präsenz von Mitarbeitern mit Videoüberwachung und Notrufsäulen bei. Noch wichtiger ist jedoch die Prävention auf Seiten der Täter.
Versagen die Eltern, der Staat oder nicht auch die Unternehmen?
Neubeck: Es gibt überall Nachholbedarf und es müssen alle anpacken. Die Deutsche Bahn wird in diesem Jahr in Schulen und Jugendeinrichtungen gehen. Dort bieten wir Trainings an, damit Konflikte gewaltfrei vermieden oder bewältigt werden können. Es wäre schön, wenn andere Unternehmen mitmachen würden. Auch mancher Ausbilder im Betrieb sollte den Azubis deutlich machen, dass es im Umgang untereinander bestimmte Regeln gibt. Gefragt sind auch die Eltern. Viele sind überfordert damit, einerseits zu arbeiten und die Familie zu ernähren, andererseits noch Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und ihnen Werte zu vermitteln. Und mitunter spart der Staat kurzsichtig bei der Hilfe für Jugendliche. Das ist auf lange Sicht teuer: Sehen Sie sich die Schäden durch Vandalismus und Graffiti an. 50 Millionen Euro muss allein die DB zur Beseitigung aufbringen. Das Geld würden wir lieber für den Kunden einsetzen.