Essen. Bürgerinitiativen wehren sich gegen neue Stromleitungen. Doch ohne neue Trassen ist der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht machbar, sagen Experten. Die Energiebranche steckt in einer Zwickmühle.

Die Stromwirtschaft in Deutschland fürchtet ein „Stuttgart 21“ der Energiebranche. Ohne Bürgerbeteiligung wird der dringend benötigte und milliardenteure Aus- und Umbau der Stromnetze scheitern, warnten Experten bei der Fachmesse „E-world energy & water“, die am Dienstag in Essen begann.

Existenzängste begleiten die Leitmesse der Energie- und Wasserwirtschaft, deren beherrschendes Thema in diesem Jahr „intelligente Netze“ und Energiespeicher sind. Rund 540 Aussteller aus 20 Ländern präsentieren sich in Essen, knapp zehn Prozent mehr als zuletzt. Über 1000 Teilnehmer hatte allein der Fachkongress „Zukunftsenergien“, der die Diskussionen der restlichen beiden Messetage vorgab: Wie sicher, bezahlbar und klimafreundlich wird Strom in den kommenden Jahrzehnten?

Anteil der Windenergie soll von drei auf 15 Prozent ausgebaut werden.

Von den Windparks in der Nordsee zu den Steckdosen im Süden: 3600 Kilometer neue Stromtrassen sind nötig, um die Ausbauziele für erneuerbare Energien bis 2020 zu erfüllen, referierte der Netzexperte Prof. Armin Schnettler von der RWTH Aachen. Allein die Kosten für den Ausbau der Verteilnetze schätzte Hildegard Müller, Vorsitzendes des Branchenverbandes BDEW, auf 20 bis 25 Milliarden Euro. „Eine Jahrhundertaufgabe“, beschrieb NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) die Herausforderung, den Königsweg vom fossilen Zeitalter zum kohlenstoffarmen Wirtschaften zu finden.

Höhere Renditen für die nötigen Milliardenprojekte der Netzbetreiber forderte Branchen-Sprecherin Müller. 9,25 Prozent müssten es sein, dazu weitere zwei Prozent als Innovationsbonus, um neue Projekte anzuschieben. Doch im Land wächst der Widerstand gegen Stromleitungen - und auch gegen neue Energien: „Es gibt 250 Bürgerinitiativen gegen Windenergie in NRW“, sagte Prof. Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Man müsse den Nutzen vermitteln und die Verlierer ernst nehmen, so Fischedick. Remmel, der erste Klimaschutzminister eines Bundeslandes, sieht keine Alternative. Er will den Anteil der Windenergie in NRW von derzeit drei auf 15 Prozent ausbauen. „Wir werden nicht mehr die Schleppe hinterher tragen, sondern führen die Fackel voran.“