Berlin. Was weiß man von Rainer Brüderle? Er mag Wein und Weinköniginnen, fühlte sich selbst in Koalitionen mit der SPD durchaus wohl und war über viele Jahre ein „Politiker im Wartestand”.
Es passte in der letzten Zeit nie richtig für den Absprung in den Job als Bundesminister. Das nervenaufreibende Warten ist zu Ende. Er erhält die letzte Chance. Der Pfälzer FDP-Mann übernimmt in der neuen schwarz-gelben Koalition das Wirtschaftsressort. Mit Wein und Weinköniginnen, wie in den elf Kabinettsjahren in Rheinland-Pfalz unter den Ministerpräsidenten Vogel, Wagner, Scharping und Beck wird er kaum noch zu tun haben. Eher mit sperrigen Produkten wie Opel-Autos und Schachtanlagen.
Aber das wird wohl weniger ein Brüderle-Problem sein. Es wird eines für Opelaner und Bergleute. Denn der Liberale aus Landau, getauft übrigens mit Spreewasser, ist ein knallharter Marktwirtschaftler, der gesetzliche Mindestlöhne und dichte Kündigungsschutz-Regeln für Teufelszeug hält.
Förderer des Mittelstandes
Die aus der Bundesregierung anvisierten Hilfen für „New Opel” haben ihm nie gefallen, was er auch öffentlich äußerte. Sein Votum 2012, wenn nach der Vereinbarung von 2007 der für 2018 geplante Kohleausstieg noch einmal überprüft werden soll, ist absehbar: Daumen runter. Und mit Spannung darf erwartet werden, wie sein Wort ausfällt, wenn er über die Verwendung der Gelder aus dem Deutschlandfonds entscheiden muss.
In der Regel sind es Großbetriebe, die sich mit Staatshilfe vor der Krise in Sicherheit bringen wollen. Generell werden es die großen Konzerne und Unternehmen mit ihm schwer haben. Der 64-Jährige ist ein engagierter Förderer des Mittelstandes und versteht dessen Alltags-Sorgen. Die Weinbauern mit besonders steilen Hängen hatten es gut unter ihm zu seinen Mainzer Jahren. Das alles heißt nicht, dass er von der großen Volkswirtschaft nichts versteht. Im Gegenteil.
„Opa aus Mainz”
Nach seiner Ministerzeit in der pfälzischen Heimat wurde er 1998 Mitglied im Bundestag, Fraktionsvize, wirtschaftspolitischer Sprecher, dann Vize-Vorsitzender der FDP. Er absolvierte das ganze Karriere-Repertoire, das man braucht, um nach oben zu kommen. Wer ihn als „Opa aus Mainz” verspottet, der gegen den agilen adligen Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg wohl alt aussehe, der könnte bald noch älter aussehen. Auch Angela Merkel wird keine Kuschel-Tour mit Brüderle erleben. Vielleicht hat sie ihn deshalb eher als liberale Dreingabe zu Schwarz-Gelb schlucken müssen als innigst herbeigewünscht.
Den sozialpolitisch moderaten Kurs der Kanzlerin hat er, als sie noch eine Regierung mit der SPD auf dem Beifahrersitz steuerte, scharf und bissig kommentiert in der Art: Die „Castro-Brüder aus Kuba” kämen ja wohl demnächst als Gäste zu CDU-Parteitagen.
Vater mit 86 noch aktiv
Brüderle wird sich – Trost auch für die Opelaner – künftig der Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin fügen müssen. Aber immerhin dürfte der Freidemokrat einen nicht unbeträchtlichen Teil der Koalitionswähler repräsentieren, dem der Staatseinfluss in Zeiten der Krisenbekämpfung längst zu weit geht.
Und da ist noch eines. Die Brüderles sind eine zähe Familie. Der neue Bundeswirtschaftsminister hat reichlich lange auf den harten Oppositionsbänken durchgehalten, bis es mit der Regierung geklappt hat. Und sein Vater betrieb noch mit 86 Jahren ein Wäschegeschäft.