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Peter Ramsauer (CSU) tritt auf die Notbremse: Der Bundesverkehrsminister will die Deutsche Bahn weitgehend umbauen. Die Bundesnetzagentur soll den Staatsbetrieb künftig beaufsichtigen.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gibt dem Druck der Länder nach: Nach dem Winter-Chaos bei der Bahn denkt er an einen weitgehenden Umbau im Staatsunternehmen. Erlöse durch den Betrieb des Schienennetzes – meist Nutzerzahlungen der 300 privaten Bahnen, die hier fahren – sollen künftig nicht mehr an den Staat fließen, sondern wieder ins Netz investiert werden, berichtet der „Spiegel“.

Zudem soll die Bundesnetzagentur, die schon Post- und Energiebetriebe beaufsichtigt, auch für die Bahn zuständig sein. Die Bundestagsfraktionen der Koalition planen darüber hinaus einen weitgehenden Stopp der Bemühungen, die Bahn an die Börse zu bringen und damit eine Abkehr von den Vereinbarungen des schwarz-gelben Koalitionsvertrages. Nur noch die Logistiksparte und die Auslandsaktivitäten sollen privatisiert werden. Personenfernverkehr und das Netz bleiben nach diesen Überlegungen 100prozentig beim Eigentümer Bund.

Die Nutzung der Netz-Gewinne für die Instandhaltung der Strecken könnte bedeuten, dass hier jährlich eine halbe Milliarde Euro mehr eingesetzt werden kann. Die massiven Probleme der letzten Wochen – unter anderem froren Weichen ein – hatten Fahrgastverbände auf die drastischen Sparmaßnahmen in der Zeit von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn zurückgeführt. Mehdorn bestritt gestern eine Verantwortung. Die Winter seien härter geworden, sagte er der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“.

Bundesregierung plant „Eisenbahnpaket“

Die Bundesregierung will ein „Eisenbahnpaket“ vorlegen, um die sieben Millionen Bundesbürger zu beruhigen, der jeden Tag Bahn fahren. Es soll, erstens, mehr Geld in die Instandhaltung der Strecken fließen, nachdem seit 1994 jede zweite Weiche, viele Überholgleise und insgesamt 5000 Kilometer Strecke abgebaut worden sind. Es sollen, zweitens, die 2009 aufgeschobenen Pläne für den Börsengang massiv eingeschränkt und Netz und Fernverkehrsbetrieb in Staatseigentum bleiben. Zudem verspricht Bahnchef Rüdiger Grube insgesamt Investitionen von 41 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren.

Dass Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die Notbremse zieht, hat aber nicht nur Gründe in der Kundenpflege. Deutschlands Bahn und ihr 36 000 Kilometer großes Streckennetz haben einen enormen Nachholbedarf – auch aus Sicherheitsgründen. Bedrohlich werden die Beschwerden der 300 Privatbahnen, die hier fahren. Jürgen Tuscher, Chef der Vereinigung der Privatgüterwagen-Interessenten, deutet an, einige schwere Unfälle der letzten Zeit könnten auch auf „Schienenbruch oder Weichendefekte“ zurückzuführen sein statt, wie zunächst vermutet, auf Radschäden. Auch unbeschrankte Bahnübergänge vor allem im Raum Köln haben seit Dezember Schlagzeilen gemacht. Hier gab es Zusammenstöße, bei denen mehrere Menschen zu Tode kamen.

Unternehmen wird „auf Verschleiß“ gefahren

Ist der Sparkurs Schuld? Hartmut Mehdorn, der bis 2009 das Staatsunternehmen leitete, wehrt ab: „Mein Vorstand hat die Bahn nicht kaputt gespart, wir haben sie saniert“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. 1999 habe sie 15 Milliarden Euro Umsatz und 1,5 Milliarden Verlust gemacht. „Als ich ging machte sie 36 Milliarden Umsatz und 2,4 Milliarden Euro Gewinn“. Fahrgastverbände rechnen das anders. Hierzulande würden nur 47 Euro pro Bundesbürger und Jahr ins Streckennetz gesteckt. In der Schweiz, dem Bahnland Nummer 1 in Europa, sind es 284 Euro. Das Unternehmen werde „auf Verschleiß“ gefahren.

Zwar gibt es auch bei den Eidgenossen Verspätungen und Ärger in diesem Winter. Die Schweizer Bundesbahnen konnten aber letzte Woche nachweisen, dass sie fast ganz durch verspätete Züge aus Deutschland entstanden sind. Peinlich für den Nachbarn im Norden.