Mülheim.

Der Staat habe nicht die Aufgabe, Übernahmen zu verhindern. Das sagt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) im Interview mit der WAZ-Mediengruppe. Unternehmensübernahmen seien ein normaler marktwirtschaftlicher Vorgang.

Im Interview mit der WAZ-Mediengruppe spricht Wirtschaftsminister Rainer Brüderle über den Übernahmekampf um Hochtief, über Steuersenkungen und Lohnerhöhungen.

Das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel ist überraschend gut gelaufen. Wird sich der Trend fortsetzen?

Rainer Brüderle: Davon gehe ich aus, denn wir haben einen stabilen Aufschwung in Deutschland. Nicht nur der Export läuft rund. Die Impulse kommen zunehmend auch aus dem Inland. Beim Weihnachtsgeschäft war deutlich zu sehen: Der Aufschwung kommt bei den fleißigen Menschen unseres Landes an. Seit vielen Jahren steigen die Einkommen erstmals wieder. Wenn die Bürger mehr Geld in der Tasche haben, gönnen sie sich auch mehr.

In Branchen wie dem öffentlichen Dienst und der Chemie stehen 2011 Tarifverhandlungen an. Können höhere Löhne und Gehälter den Konsum beflügeln?

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Brüderle: Die Lohnsetzung ist nicht Aufgabe der Politik, sondern der Tarifparteien. Ich werde deshalb keine Empfehlung für die Lohnabschlüsse geben. Es ist aber zu erwarten, dass sich der Aufschwung auch in den Lohnabschlüssen widerspiegeln wird. Die Abschlüsse werden je nach Branche und Region unterschiedlich sein.

Können die Steuerzahler mit spürbaren Steuererleichterungen rechnen?

Brüderle: Der Schuldenabbau im Bundeshaushalt hat Vorrang. Aber wir werden weiter daran arbeiten, dass es vor allem bei den kleinen und mittleren Einkommen noch in dieser Wahlperiode Entlastungen gibt. Einen Anfang haben wir mit den Steuervereinfachungen schon gemacht. Es kann nicht sein, dass ein Arbeitnehmer, der 100 Euro mehr verdient, davon 60 Euro Abgaben zahlen muss. Das hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts zu tun und sollte nicht so bleiben.

Angesichts der neuerlichen Strompreis-Erhöhungen haben Sie die Verbraucher zum Anbieter-Wechsel aufgefordert. Wollen Sie auch den vier großen deutschen Energiekonzernen stärker auf die Finger schauen?

Brüderle: Beides ist wichtig. Die Verbraucher ermutige ich, ihre Rolle als Marktteilnehmer aktiv wahrzunehmen und die Möglichkeiten zum Anbieterwechsel stärker zu nutzen. Aber auch das Bundeskartellamt ist aufgerufen, genau hinzuschauen, wie die großen Energieversorger ihre Preise gestalten. Hierzu werden wir eine Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt einrichten.

Ist die Wettbewerbssituation auf dem deutschen Energiemarkt zufriedenstellend?

Brüderle: Sie kann sicherlich noch verbessert werden. Wir müssen grenzüberschreitend den europäischen Markt in Gang setzen. Dies wird zu einem intensiveren Wettbewerb führen. Wie wir das am schnellsten und effizientesten schaffen, diskutiere ich regelmäßig mit dem EU-Energiekommissar Günter Oettinger.

Es gibt auch den Trend zu mehr Staatseigentum auf dem Energiesektor. Das Land Baden-Württemberg will EnBW kaufen, Stadtwerke im Ruhrgebiet die Steag. Ist das in Ordnung?

Brüderle: Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Das haben wir bei den Landesbanken gesehen. Wenn der Staat sich unternehmerisch engagiert, darf es dadurch keine künstliche Unwirtschaftlichkeit zu Lasten der Steuerzahler und Kunden geben. Kommunen dürfen sich wirtschaftlich betätigen, es muss allerdings transparent sein und darf dem Wettbewerb nicht schaden. Wenn es kommunale Akteure gibt, die leistungsfähig sind, sich dem Wettbewerb stellen und ein Unternehmen ohne Quersubventionen erwerben – warum nicht?

Brüderle spricht sich für Flubereinigung bei den Landesbanken aus

Seit Jahren wird über Landesbanken-Fusionen gesprochen, aber es tut sich nichts.

Brüderle: Ich bedauere das sehr. Es wäre gut gewesen, wenn man sich früher vom landesbezogenen Denken in diesem Bereich getrennt hätte. Die Fehler der Vergangenheit haben den Steuerzahler viel Geld gekostet. Es geht auch anders. Während meiner Zeit in Rheinland-Pfalz habe ich mit dafür gesorgt, dass wir die Landesbank dort verkauft haben. Und wir haben sogar etwas dafür bekommen.

Wird man im Zweifel eine Landesbank auch abwickeln müssen?

Brüderle: Es ist Aufgabe der Eigentümer, solche Entscheidungen zu treffen. Ich bin der Meinung, dass eine Flurbereinigung bei den Landesbanken in Deutschland gut wäre.

Viele Beschäftigte des Baukonzerns Hochtief bangen um ihr Unternehmen. Gibt es noch eine

Möglichkeit, dass die Übernahme durch ACS verhindert wird?

Brüderle: Diese Frage müssen Sie an das Hochtief-Management richten. Auch der Vorsitzende der Baugewerkschaft verhandelt ja schon mit ACS. Es ist weder die Aufgabe des Staates, eine Übernahme zu verhindern, noch sie zu erleichtern. Unternehmensübernahmen sind ein normaler marktwirtschaftlicher Vorgang. Deutsche Unternehmen kaufen fast täglich in der Welt andere Unternehmen auf.

Muss die deutsche Börsenaufsicht Bafin das Geschäft aufmerksam prüfen?

Brüderle: Die Bafin prüft immer aufmerksam. Hochtief ist da keine Ausnahme. Aber die Hauptverantwortung liegt beim Management.

Hat die Hochtief-Führung Fehler gemacht?

Brüderle: Es steht mir nicht zu, das zu bewerten. Klar ist aber, dass das Management die Aufgabe hat, dafür zu sorgen, dass sich der Wert des Unternehmens an den Aktienmärkten widerspiegelt.

Nicht nur an Rhein und Ruhr ächzen die Gemeinden unter einer wachsenden Schuldenlast. Sie, Herr Brüderle, wollen dennoch die Gewerbesteuer abschaffen.

Brüderle: Auch mir geht es um finanzstarke Kommunen. Aber die Gewerbesteuer ist nicht mehr zeitgemäß. Wir wollen sie ersetzen und nicht abschaffen. Das kann übrigens aufkommensneutral geschehen. Im Gegenzug sollen die Kommunen einen Anteil an der Umsatzsteuer erhalten, damit sich ihre Einnahmen verstetigen und nicht mehr so konjunkturabhängig sind. Zudem möchte ich den Kommunen einen Zugang zum Aufkommen der Körperschafts- und Einkommenssteuer geben, damit sie mehr Gestaltungsfähigkeit und finanzielle Planungssicherheit haben.

Ist Ihr Vorschlag denn umsetzbar?

Brüderle: Sicher wird es noch das eine oder andere Gespräch dazu geben müssen. Ich bleibe aber dabei: Die Gewerbesteuer ist ein Relikt aus früheren Zeiten, und sie ist viel zu kompliziert. Sie verzerrt den Wettbewerb, weil man sie auf Mieten und Zinsen zahlen muss, auch wenn man keine Gewinne macht.