Hamburg. Trotz Wettbewerbs ist Strom so teuer wie nie seit der Freigabe des Marktes: Der Strompreis stieg binnen eines Jahres für private Verbraucher um weitere sieben Prozent. Die Privatkunden baden nun die Folgen dafür aus, dass sich die Versorger im vergangenen Jahr an der Strombörse verzockten.
Die Elektrizitätskonzerne haben bis April den Strompreis für einen Durchschnittshaushalt im Vergleich zum vorigen Jahr um 7 Prozent erhöht. Im April 2009 zahlte eine dreiköpfige Familie demnach im Schnitt 67,70 Euro oder 4,55 Euro mehr als 2008. Das geht aus bisher unveröffentlichten Unterlagen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hervor, die der Nachrichtenagentur AP vorliegen. Die allgemeine Teuerungsrate lag in dem Zeitraum nur bei 0,5 Prozent, die Preise für Öl und Gas gingen sogar zurück.
Der Strompreis ist damit 2009 auf den höchsten Stand seit der Freigabe Ende der 90er Jahre gestiegen: Im Jahr 2000 zahlte eine dreiköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden noch 40,66 Euro pro Monat. Das bedeutet einen Preisanstieg bis heute um mehr als 55 Prozent.
Stromkonzerne kauften teuer ein
Erst am Montag hatte der BDEW auf der Hannover Messe mitgeteilt, dass Industrieunternehmen derzeit bei Neuverträgen rund 26 Prozent weniger für Strom zahlten als noch im Oktober 2008. Verbandschefin Hildegard Müller hatte den Widerspruch zum Preisanstieg bei Privatkunden damit erklärt, dass die Versorger an der Leipziger Strombörse Strom für Haushalte zum Großteil ein bis zwei Jahre im Voraus kauften. Sie hätten sich eingedeckt, als dort die Preise noch hoch gewesen seien.
Müller sagte auch, langfristig würden in Privathaushalten die Preise fallen, wenn die Großhandelspreise an der Börse niedrig blieben. Die fallenden Preise für Industriekunden würden nur bei Neuabschlüssen von Lieferverträgen gelten, sagte sie. Im Jahr 2009 ist der Stromverbrauch bis Ende März schon um vier Prozent zurückgegangen.
Kartellamt untersucht Elektrizitätsbranche
Das Bundeskartellamt geht seit vergangener Woche dem Verdacht nach, dass die großen Unternehmen durch absichtliche Verknappung der Strommengen die Preise an der Leipziger Strombörse EEX und im Großhandel zulasten der Verbraucher künstlich verteuert haben könnten. Die 60 größten Unternehmen der Branche müssen der Behörde bis zum 6. Mai Auskunft über Kosten der Stromproduktion, die Einsatzplanung der Kraftwerke und ihr Angebotsverhalten auf den Großhandelsmärkten in den Jahren 2007 und 2008 geben.
Hintergrund: Rund 80 Prozent der deutschen Stromproduktion liegt in der Hand von nur vier Konzernen, nämlich RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW. Verbraucherschützer sehen darin einen der Hauptgründe für die hohen Strompreise in Deutschland.
Der Wechsel zu einem anderen Stromlieferanten kann für einen Durchschnittshaushalt eine Ersparnis von 300 Euro pro Jahr bringen. Die Bundesnetzagentur fordert die Kunden auf, stärker von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Vor allem bei Preiserhöhungen sollten die Kunden alternative Angebote prüfen. Bei Haushaltskunden haben 2007 nur 4,23 Prozent den Stromanbieter gewechselt.
Der BDEW erklärt den massiven Anstieg der Strompreise über die Jahre mit hohen staatlichen Abgaben auf Energie: Der Betrag für Steuern und Abgaben wuchs seit 1998 pro Musterfamilie von gut 12 Euro auf 26 Euro. Damit gingen 40 Prozent der Stromrechnung einer Familie an den Staat, hieß es.