Mülheim/Hamburg. Tchibo geht im Rechtsstreit mit Aldi Süd in Berufung. Seine eigenen Preise hat der Kaffeeröster erneut angehoben. Grundsatzkritik an Eigenmarken.

Zu billig zu sein, ist für Aldi wahrscheinlich nicht der schlimmste Vorwurf, dem sich der Discount-Marktführer ausgesetzt sieht. Schon gar nicht am Tag, an dem die führende Markenrösterei Tchibo ihre Kaffeepreise erneut angehoben hat. Doch Tchibo meint es ernst und will seinen Rechtsstreit gegen Aldi Süd offenbar bis zum Ende durchfechten. Die Hamburger werfen der Mülheimer Kette vor, ihren Kaffee rechtswidrig billig zu verkaufen.

Gegen die jüngste Niederlage vor dem Landgericht Düsseldorf im Januar hat Tchibo laut Mitteilung nun Berufung eingelegt, mit der sich das Oberlandesgericht Düsseldorf befassen muss. „Das Verfahren ist von grundsätzlicher Bedeutung und wir sehen deutliche Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Berufung“, erklärte ein Tchibo-Sprecher.

Tchibo hebt Kaffeepreise um 50 Cent bis einen Euro je Pfund an

An diesem Montag hat Tchibo das Pfund Filterkaffee um 50 Cent bis einen Euro verteuert. Die Packung „Feine Milde“, laut Tchibo Deutschlands beliebtester Filterkaffee, kostet nun 8,99 Euro. Die Großrösterei sah sich aufgrund massiv gestiegener Rohstoffpreise dazu gezwungen. Das Hamburger Unternehmen ist mit seinen eigenen Filialen und den Regalen bei Edeka und Rewe der präsenteste deutsche Kaffeeproduzent. Nur mit höheren Verkaufspreisen könne man „auch weiterhin hochwertige Rohkaffees einkaufen“ und „die Kaffeebauern mit fairen Preisen unterstützen“, erklärte Tchibo.

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Aldi Süd wirft das Hamburger Traditionshaus dagegen vor, seinen Kaffee seit dem Jahreswechsel 2023/24 teilweise unter Herstellungskosten verkauft zu haben, was gegen das deutsche Wettbewerbsrecht verstoßen würde. Vor Weihnachten bot der Discountriese das Pfund Filterkaffee seiner Eigenmarke Barissimo kurzzeitig für 2,69 Euro an, inzwischen zollt aber auch Aldi dem Markttrend Tribut, aktuell kostet das Pfund 4,49 Euro.

Aldi Kaffe Branding
Der günstigste Aldi-Filterkaffee kostet aktuell 4,49 Euro, auch der Discounter musste den Preis zuletzt anheben. © Funke Foto Services | Roland Magunia

Tchibo ist überzeugt, dass Aldi mit solchen Preisen seine eigenen Herstellungskosten an der Ladenkasse unterbiete, was verboten wäre. Die Kartellkammer des Düsseldorfer Landgerichts wies die Unterlassungsklage jedoch ab. Sie konnte „keine Überlegenheit der Beklagten gegenüber der Klägerin auf dem Markt für Kaffeeprodukte“, feststellen, hieß es in der Begründung. Das Gericht sah keine unfairen Praktiken des Discounters gegenüber der ebenfalls sehr großen Klägerin Tchibo. Aber auch eine Verdrängungsabsicht gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern auf dem Markt für Kaffeeprodukte könne nicht festgestellt werden.

Gericht: Aldi-Preisstrategie im Rahmen erlaubter Mischkalkulation

Konkret zu den Tiefpreisen bei Aldi erklärte die Kartellkammer, diese seien im Rahmen der Mischkalkulation in Ordnung. In der Urteilsbegründung heißt es dazu, die Aldi-Strategie verfolge „den dauerhaften, nachvollziehbaren Zweck der Förderung des eigenen Absatzes im Rahmen einer Mischkalkulation“, die Preisgestaltung beruhe deshalb „auf einer kaufmännisch vertretbaren Kalkulation“.

Die Tchibo-Klage wirft allerdings eine grundsätzliche Frage auf, die Markenhersteller vieler Produkte umtreibt. Sie trifft den Kern der Eigenmarken, auf die alle großen Vier - Edeka, Rewe, Lidl und Aldi - immer mehr setzen. Zum einen wegen höherer Gewinnmargen, weil die Handelsspanne für Markenhersteller wegfällt. Zum anderen, weil sie mit Eigenmarken auch leichter Kampfpreise anbieten können. So machen die Eigenmarken in den Sortimenten einen immer größeren Anteil aus, bei Aldi rund 90 Prozent. Die Schwesterunternehmen Aldi Süd und Nord setzen auf gemeinsame Eigenmarken, was sie noch rentabler macht, oder günstiger - je nach aktueller Preispolitik.

Tchibo sieht Bevorteilung von Aldi & Co. durch Eigenmarken

Laut Kartellgesetz ist der Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis verboten. Unter dem Einstandspreis versteht man den Einkaufspreis zuzüglich aller weiteren Kosten etwa für Transport, Extra-Verpackung oder Lagerung. Da Aldi Süd seinen Kaffee selbst herstellen lässt, ist in diesem Fall aber nicht der Einstandspreis entscheidend, sondern der eigene Produktionspreis.

Tchibo sieht im Kartellgesetz hier eine Regelungslücke zugunsten der großen Discounter und Supermarktketten, weil sie durch diese „Vertikalisierung“ einen Vorteil in der Preisgestaltung hätten. „Das Urteil hat gezeigt, dass das bestehende Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor dem Hintergrund der aktuellen Wirklichkeit im Handel konsequent auch bei Vertikalisierung angewendet werden muss“, erklärte ein Tchibo-Sprecher dazu.

Markenhersteller beklagen „Machtkonzentration“ der großen Ketten

Er beruft sich dabei auch auf „die Reaktionen von Wirtschaftsverbänden, Fachleuten und anderen Firmen“, dass Tchibo hier ein sich verschärfendes Problem bedrohlicher Machtkonzentration anspreche. Durch die zunehmende Vertikalisierung des Handels sei „eine Fortentwicklung der Rechtsprechung zur rechtskonformen Preisgestaltung von mächtigen, vertikal integrierten Marktteilnehmern noch dringender geworden“.

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Der Mülheimer Discounter sah sich durch den Richterspruch im Januar dagegen natürlich bestätigt: „Aldi Süd begrüßt die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf, das bestätigt, dass die Preisaktionen für Kaffee nicht gegen geltendes Recht verstoßen“, teilte das Unternehmen seinerzeit mit. Zur Berufung äußerte sich Aldi Süd nicht erneut.

Tchibo kann mit den Discountpreisen nicht mithalten

Dass Tchibo diesen Rechtsstreit durchfechten will, dürfte auch mit den Erwartungen aller Marktexperten zu tun haben, dass in diesem Jahr die Einkaufspreise weiter steigen. Zum Beispiel, weil in Brasilien, dem größten Anbauland, wegen einer Dürre eine Missernte befürchtet wird. Die beginnt in Südamerika zwar erst im Mai, doch an den Rohstoffbörsen treibt allein die Befürchtung die Kurse seit Monaten nach oben: In den vergangenen zwölf Monaten haben sich die Börsenpreise für Rohkaffee mehr als verdoppelt, Tendenz zuletzt weiter stark steigend.

Jeder Deutsche trinkt im Schnitt 160 Liter Kaffee im Jahr

Kaffee ist der Deutschen beliebtestes Getränk und gehört damit im Supermarkt und Discount zu jenen Produkten, bei denen die Leute die größte Preissensibilität zeigen. Entsprechend häufig gibt es Angebote für Kaffee, Butter, Milch und andere viel gekaufte Lebensmittel. Mit mehr als 160 Litern im Jahr trinkt der oder die Durchschnittsdeutsche mehr Kaffee als Mineralwasser.