Berlin. Wohnungsämter erhalten viele Verdachtsanzeigen wegen mutmaßlich überteuerter Mieten. Für die Linke ist das ein Erfolg – mit einem Haken.
Nach Angaben der Linken im Bundestag sind in den vergangenen Wochen 3.020 Verdachtsmeldungen auf überhöhte Mieten und Mietwucher an die Wohnungsämter der Städte Berlin, Hamburg, München, Erfurt, Dortmund, Leipzig und Freiburg verschickt worden. Insgesamt hätten 85.000 Haushalte dieser Städte die Mietwucher-App der Partei genutzt, um ihre Miete zu prüfen, teilte die wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Caren Lay, dieser Redaktion mit.
„Eine dreiviertel Million Euro zahlen allein die 3.000 Mieterinnen und Mieter zu viel, die Mietpreisüberhöhungen über die Mietwucher-App der Linken an die Ämter gemeldet haben“, sagte Lay. Viele Mieterinnen und Mieter würden aber noch davor zurückschrecken, überhöhte Mieten tatsächlich zu melden. Lay forderte die Wohnungsämter auf, die Verdachtsmeldungen engagiert zu verfolgen. Nach Berechnungen der Linken könnten allein in den 3020 Fällen monatlich bis zu 744.000 Euro an überhöhter Miete eingespart werden, also rund 246 Euro pro Haushalt. Im Durchschnitt sei der Mietspiegel den Berechnungen der Partei zufolge um 65 Prozent überschritten worden.
weitere Videos
Bei Mietwucher stoßen Behörden immer wieder an ihre Grenzen
Im November hatte die Linke den Online-Rechner zur Überprüfung der eigenen Miethöhe in vier Städten gestartet, im Januar hatte sie die App auf insgesamt acht Städte ausgeweitet. Verdachtsmeldungen müssen die Mieterinnen und Mieter dabei selbst an die Wohnungsämter schicken, die Linke erhebt eigenen Angaben zufolge die Daten nur anonymisiert. Der Mieterbund hatte das Angebot begrüßt.
Von Mietwucher wird gesprochen, wenn eine Miete 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt und der Vermieter dabei eine Zwangslage des Mieters ausgenutzt hat. In diesem Fall kann der sogenannte Wucherparagraf im Strafgesetz (§ 291 StGB) erfüllt sein. Von einer Mietpreisüberhöhung ist die Rede, wenn die Miete 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt und ein Mieter ausgenutzt wird. In diesem Fall handelt es sich anders als beim Mietwucher nicht um eine Straftat, sondern um eine Ordnungswidrigkeit.
Der Haken: In der Praxis stößt diese Rechtslage immer wieder an ihre Grenzen. Die Mieter müssen bei einem Verdacht Meldung an die zuständigen Behörden erstatten, die dann aktiv gegen die Vermieter vorgehen müssen. Dabei gibt es gleich mehrere Probleme. Zum einen sind viele Wohnungsämter personell knapp besetzt. Zum anderen ist es juristisch meist schwierig nachzuweisen, ob tatsächlich eine Zwangslage ausgenutzt wurde.
Auch interessant
Besonders viele Verdachtsmeldungen in Berlin
Mit Blick auf die Städte wurde der Rechner den Angaben zufolge in Berlin am häufigsten genutzt. Rund 38.000 Mieterinnen und Mieter hätten ihre Miete geprüft und 1.461 Meldungen an die Bezirksämter verschickt. Laut der Linken sei der Mietspiegel im Durchschnitt um 73 Prozent überschritten worden. In Hamburg hätten 13.000 Mieterinnen und Mieter ihre Miete überprüft und 477 Verdachtsmeldungen verschickt.
In Leipzig hätten mehr als 10.000 Mieterinnen und Mieter ihre Miete überprüft, dem Sozialamt seien 644 Verdachtsfälle gemeldet worden. In München wurden demnach 169 Verdachtsmeldungen an das Sozialreferat weitergeleitet, in Erfurt 72 Meldungen an die Bezirksämter, in Freiburg 63 und in Dortmund 27 Meldungen an die Behörden übermittelt.
Auch interessant
Sozialverband fordert Verlängerung der Mietpreisbremse
Angesichts der Belastung der Mieterinnen und Mieter hat die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschlands (SoVD), Michaela Engelmeier, vor der Sitzung des Bundesrates am Freitag die Länder dazu aufgerufen, die Mietpreisbremse zu verlängern, die Kappungsgrenzen zu verschärfen und Möblierungszuschläge stärker zu regulieren.
- Altersvorsorge: Ruhestand mit 30, 40 oder 50? So viel Geld brauchen Sie dafür
- Arbeit & Ausbildung: 5000 Euro für Azubis – Deutschlands bestbezahlte Berufe
- Arbeitsplatz: Abfindung im Job kassieren? Diese Tipps sind bares Geld wert
- Ruhestand: Drei Banker verraten, was sie für ihre Altersvorsorge tun
- Wohnen und Mieten: Reich werden mit Airbnb – Zwei Brüder verraten, wie es geht
- Geldanlage: Goldpreis auf Rekordhoch: Lohnt sich der Einstieg noch?
„Diese Schritte sind dringend notwendig, um Mieterinnen und Mieter besser zu schützen und Preisexplosionen zu verhindern“, sagte Engelmeier dieser Redaktion. Wohnen sei ein Grundrecht und kein Spekulationsobjekt, sagte die Sozialverbandschefin und forderte den Bundesrat auf, den drei Gesetzesentwürfen, die am Freitag im ersten Durchgang diskutiert werden sollen, zuzustimmen. „Wer weiter untätig bleibt, nimmt in Kauf, dass immer mehr Menschen in finanzielle Not geraten oder sogar Obdachlosigkeit droht“, warnte Engelmeier. Schon jetzt würden immer mehr Menschen kaum noch eine bezahlbare Wohnung finden und besonders in den Städten aus ihren Vierteln verdrängt.