Berlin. Dank eines TikTok-Trends kaufen junge Menschen wieder mehr Bücher und Hörbücher. Trotzdem müssen viele Buchhandlungen schließen.

Wer heute in eine Buchhandlung der hiesig bekannten Ketten geht, kommt nicht um sie herum: Bücher mit hübschen Einbänden, meist in Pastelltönen, farblich sortiert und prominent präsentiert auf einem Tisch mit einem großen Schild: #Booktok.

Wer noch nicht davon gehört hat: Dabei handelt es sich um einen Hashtag, der seinen Ursprung auf der Plattform TikTok hat – wie die letzte Silbe schon vermuten lässt. Nutzerinnen und Nutzer teilen unter dem Begriff ihre Buchempfehlungen und -rezensionen, diskutieren ihre Lieblingsromane und -charaktere. Booktok ist also quasi ein riesiger, virtueller Buchclubder die Buchbranche weltweit umgekrempelt hat.

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    Booktok lockt junge Menschen wieder in die Buchläden

    Fast 44 Millionen Kurzvideos wurden unter dem Hashtag schon auf TikTok hochgeladen. Die Folge: Über 20 Millionen Bücher sollen allein 2024 basierend auf Booktok-Empfehlungen gekauft worden sein, teilt Marktforschungsunternehmen Media Control mit. 2023 waren es noch etwas mehr als 12 Millionen. Zu Instagram ist der Trend natürlich auch längst übergeschwappt – hier ist die Community mit knapp sieben Millionen Beiträgen aber deutlich kleiner.

    Die Befürchtung der Booktok-Community, dass das TikTok-Verbot in den USA weitreichende Auswirkungen auf ihren digitalen Austausch haben könnte, bewahrheitet sich vorerst nicht. Nur 12 Stunden nachdem die App für die 170 Millionen US-Nutzer abgeschaltet worden ist, war sie wieder erreichbar. Donald Trump – der eigentlich 2020 für ein Verbot der chinesischen Plattform plädierte – hat den Betrieb der Plattform per Dekret weiter ermöglicht.

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    Romance und Fantasy besonders beliebt auf Booktok

    Für Booktok und vor allem Autoren aus den Kategorien Fantasy und Romance eine gute Nachricht. Denn nach Angaben des deutschen Bücherlieferanten Libri sind die beiden Genres neben Young Adult, Krimis und Thrillern besonders beliebt in der Community.

    Davon profitieren auch ältere Romane: „Nur noch ein einziges Mal“ von US-Autorin Colleen Hoover erschien beispielsweise schon 2016 und wurde bis 2020 nur rund 237.000 Mal verkauft. Mittlerweile ist der Roman die wahrscheinlich bekannteste Booktok-Empfehlung, 4 Millionen Mal verkauft und 2024 sogar verfilmt worden.

    Nach Angaben von Media Control ist der Umsatz von Büchern, die auf Booktok erwähnt worden sind, in Deutschland um knapp 25 Prozent gestiegen. Im Genre Young Adult legte der Umsatz sogar um 46 Prozent zu. Mehr junge Menschen bis 15 Jahre kaufen nämlich Bücher, rund ein Drittel von ihnen wird demnach durch Social Media auf neuen Lesestoff aufmerksam.

    Das beobachtet auch Nina Hugendubel, geschäftsführende Gesellschafterin bei Hugendubel: „Wir sehen tatsächlich, dass junge Menschen zielgerichtet und regelmäßig in unsere Buchhandlungen kommen. Unser TikTok-Kanal hat mit Sicherheit einen Beitrag dazu geleistet.“

    Dank TikTok kaufen wieder mehr junge Menschen Bücher. (Symbolbild)
    Dank TikTok kaufen wieder mehr junge Menschen Bücher. (Symbolbild) © dpa | Hannes P Albert

    Es scheint, als erlebten Bücher ein Revival, in Zeiten, in denen junge Menschen im Schnitt mehr als drei Stunden pro Tag am Handy verbringen. Ist die Buchbranche also gerettet?

    Deutschlands Buchhandlungen in der Krise

    Leider nicht ganz. Denn auch, wenn der Umsatz auf dem Buchmarkt im vergangenen Jahr leicht gestiegen ist, ist die Zahl der Käufer und auch die der verkauften Bücher gesunken. „Die Lage auf dem Buchmarkt ist – wie in der gesamten Wirtschaft – weiterhin stark angespannt“, erklärt Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. So gibt es insgesamt weniger Erstauflagen, weniger Übersetzungen, weniger Lizenzen.

    Das liege an den steigenden Energie- und Papierkosten für Verlage. Das leichte Umsatzplus ist auf die gestiegenen Buchpreise zurückzuführen: Haben Käufer 2019 durchschnittlich noch 13,60 Euro für ein neues Buch bezahlt, waren es im Dezember laut Branchenmonitor schon 16,53 Euro.

    Und nebst Büchern aus den Kategorien New und Young Adult gaben sie das Geld im vergangenen Jahr überdurchschnittlich viel für ein ganz bestimmtes Genre aus: das Sachbuch. Was auf den ersten Blick überraschend wirkt, ist auf den zweiten ziemlich naheliegend, veröffentlichte doch Altkanzlerin Angela Merkel im November ihre politischen Memoiren. Es war das drittbeliebteste Buch 2024 – Platz 2 belegte „Das Kalendermädchen“ von Sebastian Fitzek, „Altern“ von Elke Heidenreich schaffte es auf Platz 1.

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    Audible, Bookbeat und Co.: Hörbücher werden immer beliebter

    Viel Bewegung gab es in den vergangenen Jahren außerdem auf dem digitalen Hörbuchmarkt. Während physische Hörbücher kaum noch Abnehmer finden, werden digitale Angebote von Bookbeat, Audible oder Spotify immer beliebter. Sie erzielen damit bereits 42 Prozent ihres gesamten Umsatzes, teilte Media Control Anfang 2024 mit. Beeindruckend, findet Geschäftsführerin Ulrike Altig: „Es ist großartig zu sehen, wie sehr sich Hörbücher in den Alltagsmedien der Konsumentinnen und Konsumenten etabliert haben.“

    Abgenommen hat hingegen die Zahl der E-Book-Käufer – gleichzeitig haben diese insgesamt mehr gelesen. Ein Trend aus den Jahren zuvor, der sich fortzusetzen scheint. So machten E-Books im ersten Halbjahr 2024 beinahe acht Prozent des gesamten Buchmarkts aus – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Anstieg von 1,7 Prozent.

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    Marktriese Thalia verzeichnete dank Multichannel-Strategie einen Rekord-Umsatz im Jahr 2024. (Archivbild) © DPA Images | Marcus Brandt

    Für Deutschlands Buchhandlungen heißt das: Sie müssen ihre Geschäftsmodelle anpassen. Von den rund 4500 Buchläden bieten die meisten ihr Sortiment mittlerweile online an, inklusive E-Books und digitaler Hörbücher. Einige sind sogar schon auf TikTok unterwegs. Für Marktriese Thalia gehen diese neuen Strategien auf: Im vergangenen Jahr verzeichnete das Unternehmen erneut einen Rekord-Umsatz.

    „Wir beobachten bei jungen Menschen zwischen 12 und 29 Jahren, und besonders bei weiblichen Jugendlichen, die stärksten Wachstumsraten. Darauf haben wir uns mit entsprechenden Sortimenten, Veranstaltungen und mit unserem Social-Media-Engagement eingestellt“, blickt Thalia-Chef Ingo Kretzschmar auf das Jahr 2024 zurück.

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    Kleinere Buchläden aber haben zu kämpfen. „Die Nachwuchsgewinnung gestaltet sich sehr schwierig“, fasst der Börsenverein zusammen. Pro Jahr gebe es etwa 100 Schließungen und gleichzeitig nur rund 40 Neueröffnungen.

    „Die Branche bekommt weiterhin die allgemeine Kaufzurückhaltung und Verunsicherung zu spüren“, erklärt Schmidt-Friderichs. Im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl fordern Verlage, Buchhandlungen und Lieferanten daher mehr Entlastung für die Kultur – zum Beispiel die Senkung des Mehrwertsteuersatzes, die Zurücknahme von Kürzungen bei Literaturfonds und mehr Leseförderung.