Berlin. Der grüne Kanzlerkandidat veröffentlicht mitten im Wahlkampf ein neues Buch. Darin macht er sich unter anderem Gedanken über Sprache.

Robert Habeck gendert nicht, jedenfalls nicht in seinem neuen Buch. Der Band mit dem Titel „Den Bach rauf“, der an diesem Donnerstag erscheint, kommt ohne Sternchen, ohne Unterstrich, ohne Doppelpunkt in der Wortmitte aus – ohne jene Zeichen also, die verwendet werden, wenn es darum geht, in der Schriftsprache zu markieren, dass in einer Aussage Männer, Frauen und alle anderen gemeint sind. Und Habeck wäre nicht Habeck, würde er dieser Entscheidung und den Gedankengang dahinter nicht ausführlich erklären und einbetten in einen größeren Zusammenhang.

Zuerst, schreibt der Vizekanzler, Wirtschaftsminister und grüne Kanzlerkandidat, habe er gar nicht darüber nachgedacht, auf diese Art zu gendern, „weil ich so nicht schreibe oder spreche“. Erst nach dem Schreiben habe er überlegt, ob er das nicht doch tun müsste – und sich dann bewusst dagegen entschieden, anders als noch bei seinem letzten Buch.

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Habeck übers Gendern: „Es fühlen sich eben nicht alle gemeint“

Die weibliche Form in der Sprache sei wichtig, schreibt er, denn Sprache schaffe Wirklichkeit: „Wenn immer nur von Gründern, Ingenieuren und Handwerkern gesprochen wird, darf man sich nicht wundern, dass Frauen in der Start-up-Szene unterrepräsentiert sind, Mädchen seltener technische Berufe erlernen und es so wenig Automechanikerinnen oder Dachdeckerinnen gibt.“

Doch die gute Absicht, durch die weibliche Form und den Genderstern Frauen und nicht-binäre Menschen ebenso anzusprechen wie Männer, schlage immer häufiger in ihr Gegenteil um. „Es fühlen sich eben nicht alle gemeint, sondern für manche oder viele fühlt es sich fremd an“, schreibt Habeck – zumal es eher „ein gewisses Milieu“ sei, das gendert.

Gendern als eine Art zu reden, die manche vor den Kopf stößt, ihnen das Gefühl gibt, falsch zu sprechen, im schlimmsten Fall zu Wut und Sprachlosigkeit führt: Habeck argumentiert, dass das der politischen Einigungsfähigkeit schadet. Und obwohl er darauf verweist, dass das Motiv der „sogenannten politischen Korrektheit“ ehrenwert sei, spricht er sich dafür aus, „dass nicht jedes einzelne Wort bewertet, nicht jeder Halbsatz zerlegt wird“.

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Die Passage – insgesamt knapp drei Seiten – steht in einem Teil des Buchs, in dem der grüne Kanzlerkandidat Überlegungen ausbreitet zur Debattenkultur, Populismus, Migration und Sprache als Heimat. Die Art, diese Themen zu verknüpfen, ist bekannt aus Habecks Reden, auch aus Videoansprachen, die er in unregelmäßigen Abständen online veröffentlicht.

In der Debatte um das Heizungsgesetz seien „falsche Informationen wie Geschosse“ geflogen

Und wer Habeck bisher im Wahlkampf zugehört hat, für den halten sich auch die inhaltlichen Überraschungen in „Den Bach rauf“ in Grenzen. Eine „Kursbestimmung“ will das Buch laut Untertitel sein, mit dem Ziel, Orientierung zu geben, wie der Verlag im Werbetext festhält.

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#1 Robert Habeck über Krieg, Frieden und Waffen

Meine schwerste Entscheidung

Zu diesem Zweck arbeitet Habeck sich auf gerade einmal 140 Seiten durch sämtliche Großthemen der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit: Es gibt einen Rückblick auf das Aus der Ampel-Koalition und noch ein bisschen weiter zurück auf die Debatte um das Heizungsgesetz (in der „falsche Informationen wie Geschosse“ geflogen seien). Es geht um die Klimakrise, Wettbewerbsfähigkeit, Europa im Wettstreit mit autokratischen Regimen, um geopolitische Machtverschiebungen und die Voraussetzungen für Demokratie. Die Antworten, die Habeck dazu finden, kreisen außenpolitisch häufig um ein geeintes Europa und mit Blick auf Deutschland vor allem um eine Hoffnung, nämlich die, „dass mehr Menschen bereit sind, notwendige Veränderungen anzugehen, statt die Probleme zu ignorieren“.

Hin und wieder klingt sogar Persönliches an, etwa als Habeck schreibt, dass er nach der Blockade einer Fähre Anfang 2024 sich und seine Frau gefragt habe, ob er aufhören soll mit Politik. „Aber die Antwort – auch von ihr – war: nein. Im Gegenteil: jetzt erst recht.“ Doch diese Einblicke sind kurz, und sie dienen vor allem als Sprungbrett, hinein ins nächste Wahlkampfthema.