Essen. Stromversorger müssen nun dynamische Tarife anbieten, bei denen der Preis stündlich schwankt. Haushalte können sparen. Doch es gibt einen Haken.
Das E-Auto zu Hause laden, die Wäsche waschen, den Trockner anwerfen – immer dann, wenn der Strom gerade am günstigsten ist. Das ist die Idee hinter „dynamischen Stromtarifen“, die den Haushalten erstmals die Möglichkeit geben, den Zeitpunkt des Stromverbrauchs zu planen. Seit Jahresbeginn müssen alle Stromversorger Kundinnen und Kunden einen solchen Tarif anbieten. Für wen sich dieser Tarif lohnt, welche technischen Voraussetzungen nötig sind und wie der Tarifwechsel funktioniert.
Strompreise: Festpreis, dynamisch, variabel – welche Tarifarten gibt es?
Festpreistarife: Das sind die klassischen Tarife, die bislang angeboten wurden. Sie haben einen festen Grundpreis sowie einen fixen Arbeitspreis, der in Cent pro Kilowattstunde abgerechnet wird. Das Risiko schwankender Preise an der Strombörse übernehmen die Stromanbieter, sie preisen es allerdings ein. Das bedeutet: Preise gelten als vereinbart, sinken die Kosten, profitieren die Verbraucher nicht.
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Variable Tarife: Bei ihnen kann sich der Arbeitspreis meist monatlich ändern. Bei zeit-variablen Tarifen gibt es zwar unterschiedliche Preise je nach Tageszeit, diese sind jedoch überwiegend schon vorher festgelegt, so etwa bei Tag- und Nachtstrom, erklärt Hasibe Dündar, Energierechtsexpertin der Verbraucherzentrale Berlin. Angeboten werden diese Tarife bereits seit Jahren, etwa für Nachtspeicherheizungen. Bei last-variablen Tarifen werden die Preise an die Nachfrage und Netzbelastung angepasst, was vornehmlich die Netzbetreiber steuern. Angeboten werden sie etwa für steuerbare Nachtspeicherheizungen, Wärmepumpen oder Ladestationen für Elektroautos.
Dynamische Tarife: Der Preis ist hier an den aktuellen Börsenstrompreis gekoppelt, er kann also stündlich oder täglich schwanken, abhängig von Angebot und Nachfrage an der Strombörse. Die Stromanbieter stellen ihre Preise mittags für den nächsten Tag ein – abrufbar auf der Internetseite oder per App. Passen Nutzer ihren Stromverbrauch entsprechend an, können sie unter Umständen Kosten sparen. Ein dynamischer Tarif setzt sich aus einem fixen Anteil für Steuern, Umlagen, Abgaben und Netzentgelte sowie dem dynamischen Börsenpreis zusammen. Wichtigster Unterschied: Das Preisrisiko liegt beim Verbraucher. Wer einen dynamischen Stromtarif abschließen will, sollte sich vorab gut erkundigen, rät Dündar.
Was müssen Verbraucher beachten, wenn sie in einen dynamischen Tarif wechseln?
Dynamische Tarife finden Verbraucher über Vergleichsportale. Doch oft sind sie komplexer als klassische Tarife und schwer miteinander vergleichbar. Die dort ausgewiesenen Preise seien, anders als bei Festpreistarifen, nicht immer aussagekräftig – und könnten sich ab dem zweiten Monat ändern, so die Verbraucherzentrale Berlin. Daher sei es nötig, dass Verbraucher auf die Internetseite des Anbieters gehen, um dessen Modell genau zu verstehen.
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„Verbraucher sollten nicht vorschnell einen Vertrag mit einem dynamischen Stromtarif abschließen“, rät Dündar. Mögliche Preisschwankungen an der Börse – die durch die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne zunehmen – könnten sich positiv, aber auch negativ auswirken. Zuletzt hatten stark gestiegene Börsenstrompreise für Aufsehen gesorgt vor dem Hintergrund von „Dunkelflauten“ – wenn also wenig Wind weht und wenig Sonne scheint und somit wenig günstiger Strom aus erneuerbaren Energien produziert wird.
In der Regel haben dynamische Tarife zwar ohnehin kurze Vertragslaufzeiten. Es gibt aber vereinzelt Anbieter, die Verbraucher bis zu einem Jahr binden. Daher rät Dündar vor einem Vertragsabschluss: „Achten Sie auf eine kurze Laufzeit. Dann können sie unkompliziert in einen Festpreistarif wechseln, falls der Tarif doch nicht den Erwartungen entspricht.“
Welche technischen Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Voraussetzung für die Nutzung eines dynamischen Stromtarifs ist ein „intelligentes Messsystem“ – das ist ein digitaler Stromzähler, der auch als Smart Meter bezeichnet wird. Grundsätzlich ist der Einbau verpflichtend bei allen Verbrauchern ab einem Jahresstromverbrauch von über 6000 Kilowattstunden. Das erreichen nicht viele private Haushalte. Verbraucher haben ab 2025 aber die Möglichkeit, den Einbau zu verlangen. Seit Jahresbeginn gilt, dass der sogenannte Messstellenbetreiber diesen dann innerhalb von vier Monaten vornehmen muss. Laut Wirtschaftsministerium sollen bis 2032 die Smart Meter flächendeckend in Haushalten und Unternehmen zum Einsatz kommen.
Smart Meter senden den Zählerstand automatisch zum Energieversorger. Laut Verbraucherzentrale wird der Stromverbrauch dabei, aufgeteilt in 15-minütige Intervalle, einmal täglich an den Messstellenbetreiber gesendet.
Wer profitiert besonders von dynamischen Stromtarifen?
Eine Fünfjahresanalyse des Vergleichsportals Verivox zeigt: Für einen durchschnittlichen Haushalt lohnen sich solche Börsenstromtarife preislich bisher nicht. Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox, sagt: „Zwar gab es immer wieder Phasen, in denen dynamische Tarife auch günstiger waren, allerdings unterliegen sie teilweise enormen Preisschwankungen.
Dynamische Stromtarife eignen sich besonders für Haushalte, die viel Strom verbrauchen – mehr als 6000 Kilowattstunden pro Jahr – und ihren Verbrauch flexibel anpassen können. Dazu gehören Haushalte, die eine Photovoltaikanlage betreiben, eine Wallbox zum Laden des E-Autos haben oder eine Wärmepumpe für das Heizen und die Warmwasseraufbereitung nutzen. Wer seine Wärmepumpe mit den smarten Messgeräten kombinieren will, sollte wissen: Zusätzlich braucht man noch eine Regelungstechnik, die Wärmepumpenhersteller bereitstellen. Ist der Anteil an erneuerbarer Energie im Strommix hoch und der Preis niedrig, schaltet sich die Wärmepumpe bei Bedarf an. Ist das Gegenteil der Fall, verschiebt man die Wärmeerzeugung auf eine günstigere Stunde.
Ein Beispiel: Ist es im Herbst und Frühling kalt und viel Solarstrom im Netz, heizt die Wärmepumpe das Haus zwischen 12 und 16 Uhr mit billigem Solarstrom auf. Nach Sonnenuntergang, wenn der Strom wieder teurer wird, kann sie dann gedrosselt werden.
Besonders wirkungsvoll ist diese Kombination, wenn man im Haus zudem einen größeren Warmwasserspeicher für die Heizung hat – auch Pufferspeicher genannt. Der Wasserspeicher werde dann vorrangig beladen, wenn der Strom besonders günstig ist. Der Pufferspeicher könne die Wärme über mehrere Stunden ohne große Verluste halten und bei Bedarf an die Heizkörper abgeben – so heizt man mit günstigem Strom.
Wie viel kann ein Haushalt mit einem dynamischen Tarif sparen?
Das Verbraucherportal Finanztip hat typische Beispiele durchgerechnet. Verschiebt ein Haushalt das Wäschewaschen vom Abend in den Nachmittag, können bei einem 60-Grad-Waschgang bei voller Beladung der Trommel rund 13 Cent gespart werden. Wird ein E-Auto nachts und nicht am Abend geladen, könnten es locker vier bis fünf Euro bei einer Vollladung sein, so Finanztip. Werde der Trockner nachmittags gestartet, koste das mehr als 10 Cent weniger. mit dpa