Duisburg/Essen. Bei Thyssenkrupp Steel wird Frank-Jürgen Weise neutrales Mitglied im Aufsichtsrat. In Konfliktsituationen könnte er entscheidend sein.

Einst war Frank-Jürgen Weise Deutschlands oberster Arbeitsvermittler, jetzt zieht er als „neutraler Mann“ in den Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel ein. Damit übernimmt der frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Schlüsselrolle im wichtigsten Kontrollgremium des größten deutschen Stahlkonzerns. Schon Ende August hatte der bisherige „Neutrale“ im Stahl-Aufsichtsrat seinen Rückzug angekündigt. Wilhelm Schäffer, einst Staatssekretär im NRW-Arbeitsministerium, schloss sich dem damaligen Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel an, der aus Protest gegen den Kurs von Konzernchef Miguel López bei Thyssenkrupp ausschied.

Fast dreieinhalb Monate später haben sich nun das Thyssenkrupp-Management und die IG Metall auf einen Nachfolger für Schäffer geeinigt. Dass es so lange gedauert hat, eine Persönlichkeit zu finden, hinter der sich sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmervertreter versammeln können, lässt erahnen, wie wichtig der Posten in der aktuellen Gemengelage ist.

Bei Thyssenkrupp Steel gilt die Montanmitbestimmung

Bei Thyssenkrupp Steel gilt die Montanmitbestimmung. Das heißt: Der Aufsichtsrat muss zur Hälfte aus Arbeitnehmern bestehen. Mindestens ein „neutrales“ Mitglied, das bei einem Patt in Abstimmungen entscheidet, ist ebenso Pflicht. Der „Neutrale“ bei Thyssenkrupp Steel ist nun der 73-jährige frühere Behördenchef Weise, der bei strittigen Entscheidungen den Ausschlag geben könnte. Weise, der die Bundesagentur für Arbeit von 2004 bis 2017 geführt hat, könnte im Unternehmen auch hinter den Kulissen eine Vermittlerrolle übernehmen, um Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer auszugleichen.

Am 29. August haben vier Aufsichtsratsmitglieder von Thyssenkrupp Steel den Rückzug angetreten: Sigmar Gabriel, Elke Eller, Detlef Wetzel und Wilhelm Schäffer (von links). Für Schäffer, den „Neutralen“ im Kontrollgremium, ist mit einigem zeitlichen Abstand ein Nachfolger gefunden worden.
Am 29. August haben vier Aufsichtsratsmitglieder von Thyssenkrupp Steel den Rückzug angetreten: Sigmar Gabriel, Elke Eller, Detlef Wetzel und Wilhelm Schäffer (von links). Für Schäffer, den „Neutralen“ im Kontrollgremium, ist mit einigem zeitlichen Abstand ein Nachfolger gefunden worden. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Die Lage bei Thyssenkrupp Steel ist angespannt. Das Thyssenkrupp-Management hatte angekündigt, rund 11.000 der 27.000 Arbeitsplätze im Unternehmen abbauen oder ausgliedern zu wollen. Zwei Hochöfen in Duisburg und ein Werk in Südwestfalen sollen schließen. Einem Bochumer Standort droht ein früheres Aus. Die IG Metall hat Widerstand gegen die Pläne angekündigt. Verhandlungen lehnt die Gewerkschaft ab, solange betriebsbedingte Kündigungen oder Standortschließungen drohen.

Thyssenkrupp-Stahlchef Dennis Grimm appellierte vor wenigen Tagen an die Arbeitnehmervertreter, an den Verhandlungstisch zu kommen. „Es ist fünf vor zwölf“, sagte Grimm, der Vorstandssprecher von Thyssenkrupp Steel, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir müssen jetzt ins Handeln kommen.“ Die Marktlage habe sich „in den vergangenen Monaten nochmals deutlich verschlechtert“, so Grimm, „und Besserung ist nicht in Sicht“. 

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