Duisburg/Essen. Betriebsräte von Thyssenkrupp Steel zeigen sich besorgt um den Stahlkonzern. Kanzler Scholz hält sich die Option Staatseinstieg offen.
Vor einem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Vertretern der Stahlindustrie in Berlin warnen Arbeitnehmervertreter vor einer Schwächung des größten deutschen Herstellers Thyssenkrupp Steel durch Kürzungspläne des Vorstands. „Ich kann den Vorstand nur davor warnen, den größten Stahlstandort Europas kurz und klein schlagen zu wollen“, sagte Ali Güzel, der als Betriebsratsvorsitzender am wichtigen Standort Duisburg-Hamborn auch die Interessen der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel vertritt. Die vom Vorstand geplante Stilllegung der Hochöfen 8 und 9 in Hamborn bis zum Jahr 2030 komme „einer Teilschließung des Stahlstandorts Duisburg“ gleich, warnte Güzel. „Das ist ein Angriff auf unsere Hütte.“
Güzel warf dem Management zugleich vor, den Aufbau einer Grünstahl-Produktion in Duisburg bremsen zu wollen. „Der ursprüngliche Plan für die grüne Transformation sah vier Direktreduktionsanlagen vor. Jetzt hat uns der Vorstand einen Plan präsentiert, in dem nur noch von einer Direktreduktionsanlage die Rede ist. Das ist viel zu wenig für Europas größten Stahlstandort“, sagte Güzel im Gespräch mit unserer Redaktion. „Was der Vorstand plant, ist in Wahrheit der Ausstieg aus der grünen Transformation.“
Der Stahl-Vorstand von Thyssenkrupp hatte angekündigt, rund 11.000 der derzeit 27.000 Arbeitsplätze im Unternehmen abbauen oder ausgliedern zu wollen. Bundeskanzler Scholz will sich am Montag (9. Dezember) mit Vertretern der Stahlindustrie im Kanzleramt treffen, um über die angespannte Lage in der Branche zu sprechen. An dem Treffen mit dem Kanzler soll auch Thyssenkrupp-Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol teilnehmen.
Scholz: „Stahlherstellung in Deutschland langfristig sichern“
Im Interview mit unserer Redaktion betonte Scholz, es komme „jetzt darauf an, die Stahlherstellung in Deutschland langfristig zu sichern“. Scholz hielt sich auch einen Staatseinstieg bei Thyssenkrupp Steel offen. „Ich nehme jetzt keine Option vom Tisch. Solche Beteiligungen gab es immer wieder, zuletzt bei der Meyer Werft in Papenburg, aber auch beim Energieunternehmen Uniper oder während der Pandemie bei der Lufthansa“, sagte Scholz. „Unser Engagement ist zeitlich befristet und soll den Unternehmen helfen, Durststrecken zu überwinden, damit mögliche Investitionen nicht am fehlenden Eigenkapital scheitern.“
Die nordrhein-westfälische SPD fordert vehement einen Einstieg des Staates bei Deutschlands größtem Stahlkonzern. „Den langfristigen Erhalt der nordrhein-westfälischen Stahlproduktion kann es nur geben, wenn Land und Bund jetzt bei Thyssenkrupp Steel einsteigen, um insgesamt mindestens ein Drittel am Unternehmen zu halten und es auf seinem Weg zur klimaneutralen Produktion zu unterstützen. Darauf muss in den kommenden Monaten alle politische Kraft gerichtet werden“, erklärten die SPD-Landesvorsitzenden Sarah Philipp und Achim Post, NRW-Fraktionschef Jochen Ott sowie Wiebke Esdar und Dirk Wiese, die Vorsitzenden der NRW-SPD-Landesgruppe im Bundestag.
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