Essen. Der frühere SPD-Chef soll Mitglied im Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns werden. Was erwartet der Konzern von dem Ex-Politiker?
Im Zorn hat Sigmar Gabriel im Sommer Thyssenkrupp verlassen. Seinen Rücktritt als Aufsichtsratsvorsitzender der Stahltochter Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) inszenierte er als Abrechnung mit Konzernchef Miguel López, der auf einen härteren Sanierungskurs bestanden und Stahlchef Bernhard Osburg ausgetauscht hatte. Nun hat der frühere SPD-Chef einen neuen Job als Aufsichtsrats eines Traditionskonzerns: beim Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall.
Wie der Konzern am Donnerstagabend mitteilte, habe der Aufsichtsrat beschlossen, Gabriel als Mitglied des Gremiums zu nominieren. In das Kontrollgremium gewählt werden soll er auf der Hauptversammlung des Konzerns am 13. Mai. „In einer sich stark verändernden Welt ist insbesondere Sigmar Gabriels Kompetenz im Bereich Geopolitik für uns von höchstem Wert“, begründete Rheinmetall-Chefaufseher Ulrich Grillo die Personalie. „Als scharfsinniger Analytiker wird er uns neue Perspektiven eröffnen und mit seinem internationalen Renommee im In- und Ausland helfen.“
Gefragter Krisenmanager und Aufsichtsrat
Gabriel ist nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik ein gefragter Berater und Aufsichtsrat vieler Unternehmen. Derzeit sitzt er in den Kontrollgremien der Deutschen Bank und bei Siemens Energy, bei Thyssenkrupp Steel hat er im August nach dem Zerwürfnis mit Konzernchef López hingeschmissen. Als Berater in Krisenzeiten wurde er etwa beim Mülheimer Tengelmann-Konzern geschätzt, so schlichtete Gabriel bei der Abwicklung der Supermarktkette Kaiser‘s/Tengelmann erfolgreich zwischen der Arbeitnehmerseite und dem damaligen Konzernchef Karl-Erivan Haub.
Bei Rheinmetall erwarten Gabriel zunächst keine größeren Kontroversen, der Rüstungskonzern kann sich seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine kaum vor Aufträgen retten und sieht die größte Herausforderung der nächsten Jahre darin, sie alle einigermaßen zeitnah abzuarbeiten. Dafür wächst das Unternehmen, baut neue Werke wie in Weeze und stellt Tausende neue Beschäftigte ein. Die Aktie des Dax-Konzerns hat seit dem Kriegsbeginn im Februar 2022 ihren Wert auf rund 660 Euro verachtfacht. Das in der Vergangenheit schwierige Image als Rüstungskonzern, der von Pazifisten „Händler des Todes“ genannt wird, versucht Rheinmetall durch offensiveres Marketing zu ändern, vorneweg mit dem Sponsoring des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund.
Gabriel: Offensiv mit Notwendigkeit einer starken Verteidigungsindustrie umgehen
Auch der frühere SPD-Chef soll offenkundig dazu beitragen, die Wertschätzung für das Unternehmen zu erhöhen. „Meine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Rheinmetall soll als Beitrag dazu verstanden werden, offensiv mit der Notwendigkeit einer starken und leistungsfähigen Verteidigungsindustrie in Deutschland und Europa umzugehen“, erklärt Gabriel zu seinem neuen Job. Denn: „Unsere Kinder und Enkel werden nur dann in einem friedlichen Europa aufwachsen können, wenn die Rückkehr des Krieges als Mittel der Politik nicht erfolgreich ist. Dafür ist militärische Stärke nicht die einzige, aber eine wesentliche Voraussetzung.“