Essen. Mit Trumps Sieg wachsen die Sorgen der NRW-Konzerne vor Strafzöllen und Abkehr von grüner Energie. So reagieren Thyssenkrupp, Evonik, Steag & Co.

Steigen jetzt die Zölle? Ist das der nächste Nackenschlag für unsere ohnehin kriselnde Exportwirtschaft? Steigt der Druck auf die deutsche Stahlindustrie mit Thyssenkrupp vorneweg noch weiter? Der Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen wirft in Deutschland viele bange Fragen auf. In einer Umfrage unserer Redaktion unter Wirtschaftslenkern der Region erwarten sie wenig bis nichts Gutes, befürchten neue Handelsschranken und das Wegbrechen des US-Marktes für Energieanlagen made in Germany zur grünen Transformation. Denn die hält der Klimawandel-Leugner Trump für Technik „aus der Hölle“.

Die Finanzmärkte schauen bereits genau hin, wem die zweite Amtszeit des Republikaners besonders schlecht bekommen könnte: Gegen den Trend eines steigenden Dax brachen die Aktien des Essener Energiekonzerns RWE bis zum Nachmittag um rund sieben Prozent ein, was den Börsenwert des Unternehmens binnen Stunden um etwa 1,5 Milliarden Euro drückte. Auch das Papier von Thyssenkrupp gab um rund fünf Prozent nach. Dass die Finanzmärkte insgesamt zunächst aufatmeten, war der Sorge um Unruhen in den USA geschuldet, die für den Fall einer Niederlage Trumps befürchtet wurden.

Trump-Sieg schickt Aktien von BMW, VW, RWE und Thyssenkrupp in den Keller

Die von Trump angedrohten Strafzölle auf Importe könnten jedoch insbesondere der deutschen Autoindustrie schaden, entsprechend schickte die Börse die Kurse von Daimler, BMW, Porsche und VW in den Keller. Das träfe auch die Stahlhersteller, allen voran Thyssenkrupp. Die deutsche Stahlindustrie könnte zusätzlich unter einem erneuten Trumpschen Protektionismus leiden, wenn er die Stahlzölle deutlich anhebt. Dies vor allem indirekt, weil dann noch mehr Billigstahl aus China und Fernost auf den europäischen Markt drängen und hier die Preise drücken würde. Die Aktie des Thyssenkrupp-Konkurrenten Salzgitter stürzte gar um mehr als neun Prozent ab.

Auch interessant

Große Sorgen machen sich die Finanzmärkte offenkundig auch um Deutschlands größten Stromerzeuger: Denn für RWE sind die USA im Geschäft mit Erneuerbaren Energien der größte Markt. Angetrieben durch Bidens Subventionen im sogenannten Inflation Reduction Act (IRA) wuchs RWE zum viertgrößten Ökostromerzeuger in den Staaten. Mit dem Bau riesiger Photovoltaik-Anlagen ist RWE beim Solarstrom gar zur Nummer zwei aufgestiegen. Es sind jene Solarparks, die Trump jüngst bei einem Wahlkampfauftritt in Florida so beschrieb: „Alles aus Stahl, Glas und Drähten, es sieht aus wie die Hölle.“

Stoppt Trump, der den Klimawandel leugnet, die von Biden mit großem Erfolg eingesetzten Förderprogramme, droht dieser Markt für die deutsche Wirtschaft zumindest für weiteres Wachstum wegzufallen. Auch für die Exporteure und Zulieferer der Anlagen ist Trumps Wiederwahl daher eine schlechte Nachricht.

Thyssenkrupp-Vorstand Burkhard: „Das macht einen sehr nachdenklich an diesem grauen Novembermorgen“

Thyssenkrupp reagierte zunächst diplomatisch: „Die erwarteten Auswirkungen einer wahrscheinlichen Präsidentschaft von Donald Trump auf Thyssenkrupp sind nach derzeitiger Einschätzung insgesamt gering“, betonte der ohnehin im Krisenmodus befindliche Konzern. Aber: „Implikationen könnten sich aus der Kürzung von Subventionen/finanziellen Anreizen für grüne Technologien in den USA ergeben – hier wäre insbesondere das Segment Decarbon Technologies von Thyssenkrupp betroffen.“ In diesem Segment hat der Industriekonzern in Dortmund seine Geschäfte gebündelt, die etwa vom Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft mit Elektrolyseuren und Speicherlösungen profitieren wollen.

Einen Einblick in seine persönliche Gefühlswelt gewährte Thyssenkrupp-Vorstand und Marine-Chef Oliver Burkhard auf X, der Plattform von Trumps mächtigstem Wahlhelfer Elon Musk: „Was immer die Gründe waren, Trump wiederzuwählen, was immer jetzt alles passieren wird, dies und jenseits des Atlantiks und in der Welt, so er wieder in das weiße Haus einzieht, das alles macht einen sehr nachdenklich an diesem grauen Novembermorgen.“

Steag-Chef Andreas Reichel mahnt zu entschlossenen Reaktionen auf die Wahl Trumps: Deutschland und Europa müssten neue Freihandelszonen mit anderen Wirtschaftsräumen eingehen.
Steag-Chef Andreas Reichel mahnt zu entschlossenen Reaktionen auf die Wahl Trumps: Deutschland und Europa müssten neue Freihandelszonen mit anderen Wirtschaftsräumen eingehen. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Andreas Reichel, Chef des Essener Energiekonzerns Steag, zeigte sich im Gespräch mit unserer Redaktion wenig überrascht vom Sieg des Republikaners, weil der in der Wirtschaftskompetenz vorne gelegen habe. „Nun kommt es darauf an, was Trump wirklich macht. Er hat deutliche Erhöhungen von Einfuhrzöllen adressiert. Das ist natürlich eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort und die Exportnation Deutschland“, warnt er. Um Folgen für das eigene Unternehmen sorgt er sich nicht: „Da die Steag Iqony Gruppe sich auf Europa konzentriert, hat die US-Wahl für uns keine direkten Auswirkungen.“

Steag-Chef Reichel: US-Zollmauern für Annäherung an asiatische Märkte nutzen

Reichel fordert von der deutschen und europäischen Politik klare Reaktionen auf die Wahl Trumps: „Höhere US-Zollmauern sollten andere Wirtschaftsregionen der Welt nutzen, sich untereinander anzunähern. Für Europa heißt das, die Verbindungen zu den asiatischen Märkten wiederzubeleben und über neue Freihandelszonen zu reden. Wichtig insbesondere für Deutschland ist es, auf die durch Trumps Wahl gestiegenen Herausforderungen sehr konsequent zu reagieren.“

Interview Christian Kullmann
Brüssel und Berlin dürften nicht untätig bleiben, sagt Evonik-Chef Christian Kullmann. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

In diese Kerbe schlägt auch Christian Kullmann, Chef des Essener Chemiekonzerns Evonik: Da Trump amerikanische Interessen in der Wirtschafts- und Industriepolitik „energisch durchzusetzen“ werde, sei es im globalen Wettbewerb umso dringender, „dass Brüssel und Berlin in dieser Hinsicht nicht länger untätig bleiben“. Für Evonik leite sich aus der Wahl keine strategische Änderung ab. „Wir sind mit rund 5000 Mitarbeitern an über 40 Standorten in Nordamerika stark vertreten und setzen weiter auf eine geostrategische Aufstellung, in der die USA als Wachstumsmarkt eine wichtige Rolle spielen“, so Kullmann.

Kirchhoff: Müssen uns dringend gegen neuen Protektionismus von Trump wappnen

NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff sagte unserer Redaktion, in dieser „Zeit massiver Verschiebungen der globalen Ordnung“ werde nun „auch noch das Verhältnis zu den USA mit dem neuen Präsidenten deutlich herausfordernder“. Doch zu lamentieren helfe nicht. „Deutschland und Europa müssen sich mehr denn je zusammenreißen und die richtigen politischen Schlüsse ziehen. Wir sollten uns dringend davor wappnen, dass ein protektionistisch denkender US-Präsident Donald Trump versuchen wird, die Spielregeln der globalisierten Welt erneut mit einer „America-First-Politik“ zu verändern.“

Düsseldorf - Was tun gegen den Rechtsruck an der Werkbank
Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff erwartet durch Trumps Wahl zum US-Präsidenten ein komplizierteres Verhältnis zu den USA. Deutschland müsse sich gegen neuen Protektionismus wappnen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Wolle sich Europa behaupten und die globalen Spielregeln mitgestalten, werde das nur aus einer Position der Stärke heraus gelingen. „Dies gilt im besonderen Maße in wirtschaftlicher Hinsicht. Und dafür brauchen wir zwingend eine starke und international wettbewerbsfähige Industrie. Jedem muss klar sein, dass Deutschland nur mit einer starken Wirtschaft ein starkes Land bleiben wird. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Interessen und Werte in der Welt behaupten können.“

IW-Chef Hüther: Handelskrieg mit Trump kostet Deutschland 180 Milliarden Euro

Für Michael Hüther, den Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), ist mit Trumps Sieg das „Worst-Case-Szenario“ eingetreten, er sieht in einem Beitrag auf der Karriereplattform LinkedIn düstere Zeiten auf Deutschland zukommen.

„Mit der Wahl Donald Trumps steht die deutsche Wirtschaft vor der nächsten Krise in einer an Rückschlägen reichen Zeit. Schon heute können sich Unternehmen auf einen teuren Handelskrieg einstellen, der nach IW-Berechnungen über die kommenden vier Jahre 180 Milliarden Euro kostet“, schreibt Hüther. Auch er mahnt neue Handelsabkommen an, so sei nicht nachvollziehbar, dass die Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay nicht vorangingen.