Berlin. Die Ministerpräsidenten haben Reformen für die Öffentlich-Rechtlichen beschlossen. Wo gekürzt wird und wie sich Sender noch wehren können.
Das aufgeblähte System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland soll schrumpfen. Die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Bundesländer beschlossen am Freitag in Leipzig weitreichende Reformen. Unter anderem sollen Hörfunk- und Fernsehsender gestrichen, Gehälter der Senderchef an den öffentlichen Dienst angepasst und Ausgaben für Sportrechte gedeckelt werden. Die vorgeschlagene Erhöhung des Rundfunkbeitrags fällt zunächst aus.
Was haben die Ministerpräsidenten konkret beschlossen?
Die von der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) beschlossene Rundfunkreform sieht Einschnitte vor. Die Zahl der Hörfunkwellen innerhalb der ARD soll sich von 70 auf 53 reduzieren, sagte der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer (SPD) am Freitag. Auch im linearen Fernsehen soll gekürzt werden. Im Nachrichten- und Informationsbereich sollen zwei Spartenkanäle bleiben, für Kinder und Jugendliche sind perspektivisch drei Sender vorgesehen. Speziell für den in Erfurt ansässigen Kinderkanal KiKa gab Schweitzer Entwarnung – der bleibe erhalten.
Und im Kulturbereich, betonte Schweitzer, habe man nicht die Fusion von 3sat und Arte beschlossen. Arte solle aber von einem deutsch-französischen Kulturkanal zu einer europäischen Kulturplattform entwickelt werden, in der perspektivisch auch 3sat-Inhalte stattfinden könnten.
Was konkret gestrichen wird, entscheiden die Sender selbst. „Es soll kein Inhalt verloren gehen, wir wollen aber, dass die Ausspielwege und die Zusammenarbeit durch Effizienz geprägt sind“, erklärte der SPD-Politiker weiter. Mehr Klasse statt Masse also.
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Sparen sollen ARD, ZDF & Co. auch im Bereich Sport. Konkret sollen die Ausgaben, die die Sender tätigen, um Sportrechte wie die für die Übertragung von Fußballturnieren oder der Olympischen Spiele einzukaufen, gedeckelt werden. Dafür sollen perspektivisch „nur noch fünf Prozent der Gesamtausgaben“ verwendet werden, so Schweitzer weiter. Ein Stoppschild gibt es auch bei der Entwicklung der Intendantengehälter, die an den öffentlichen Dienst angepasst werden sollen.
Zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland gehören die neun Landesrundfunkanstalten der ARD, das ZDF und der Deutschlandfunk. Der Gesamtetat der Sender betrug im vergangenen Jahr erstmals über zehn Milliarden Euro. Die Einnahmen speisen sich zu 85 Prozent aus dem Rundfunkbeitrag, außerdem aus Werbung und Sponsoring.
Um die Reform war zwischen den Ländern seit gut zwei Jahren gerungen worden. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte nach der MPK, die Beschlüsse seien ein Schritt in die richtige Richtung: „Ich bin froh, dass eine Reform gelungen ist, die nicht einfach nur eine Fortschreibung des Status quo beinhaltet.“
Was bedeutet die Reform für die Berichterstattung von ARD, ZDF & Co. im Internet?
Die MPK hat den Sendern für die Berichterstattung im Internet klare Grenzen gesetzt. So soll etwa der Sendungsbezug von Online-Angeboten künftig transparenter sein und die konkurrierende Berichterstattung zu den Printmedien eingeschränkt werden. Erlaubt sein sollen künftig nur noch sendungsbegleitende Texte – es darf also erst online berichtet werden, wenn ein entsprechender Beitrag auch im linearen Programm zu sehen oder zu hören gewesen ist. Aus Sicht der Sender ist das eine harte Einschränkung, etwa wenn es um die Berichterstattung bei aktuellen Entwicklungen geht. Denn Audio- oder Videobeiträge zu erstellen, ist deutlich zeitaufwendiger als ein Text.
Klarheit schaffen, was Sender online künftig dürfen, soll nach dem Beschluss der MPK nun eine „Positivliste“. Nach Einschätzung von Hubertus Gersdorf, Medienrechtler an der Universität Leipzig, ändert sich mit der Reform für die Sender nicht allzu viel. „Das schon jetzt bestehende Verbot presseähnlicher Telemedien wird lediglich weiter konkretisiert“, sagte er.
Wann werden die Beschlüsse umgesetzt?
Damit die strukturellen Reformen greifen können, müssen noch alle Landtage zustimmen. Lehnt auch nur ein Landesparlament das Papier ab, können die Änderungen in den Staatsverträgen zum Rundfunk nicht in Kraft treten. Die Reform könnte nach früheren Länderangaben von Sommer 2025 an umgesetzt werden. Denkbar ist auch, dass die Sender gegen die Beschlüsse rechtliche Schritte einleiten. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verband (DJV), Mika Beuster, riet am Freitag dazu, Entsprechendes zu prüfen.
Was sagen Experten?
Über den Umfang der Angebote der Öffentlich-Rechtlichen könne der Gesetzgeber grundsätzlich frei entscheiden, sagte Medienrechtsexperte Gersdorf. „Die Streichung von TV- und Hörfunkprogrammen ist daher verfassungsrechtlich prinzipiell nicht zu beanstanden. Allerdings verwundert es schon, dass der Rotstift in erster Linie bei Informations- und Kulturprogrammen angesetzt wird und nicht bei der Unterhaltung.“ Das halte er für falsch. „Wer den demokratischen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichern möchte, darf nicht bei Information und Kultur streichen“, so Gersdorf weiter. Unklar sei auch, ob sich durch die Streichung linearer Kanäle tatsächlich Kosten einsparen ließen.
Gibt es Bedenken?
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) sieht die beschlossenen Streichungen linearer Fernseh- und Hörfunkprogramm kritischer. Dessen Vorsitzende Michaela Engelmeier sagte dieser Redaktion, bei der Neuausrichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müsse bedacht werden, dass ältere Menschen anders Medien konsumierten als die digitalisierte Jugend. „Der Erhalt linearer Angebote in Hörfunk und Fernsehen ist für diese Teile der Gesellschaft darum unverzichtbar“, so Engelmeier.
Wie sieht es mit der vorgeschlagenen Erhöhung des Rundfunkbeitrags aus?
Fürs Erste bleibt es bei 18,36 Euro im Monat. Die Länderchefs konnten sich in Leipzig nicht auf eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags einigen. Stattdessen hat man sich vertagt: Die Rundfunkkommission der Länder soll bis Dezember einen Vorschlag machen.
Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hatte Anfang des Jahres eine Erhöhung des Beitrags um 58 Cent auf monatlich 18,94 Euro empfohlen. Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags folgt einem mehrstufigen Verfahren: Im ersten Schritt melden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an, wie viel Geld sie für die kommenden Jahre brauchen. Diese Bedarfe werden dann von der KEF geprüft. Das Gremium besteht aus 16 Sachverständigen, unter anderem aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Medienwissenschaft und Rundfunkrecht.
Die KEF gibt anschließend eine Empfehlung an die Bundesländer, wie hoch der Beitrag für die kommenden Jahre liegen sollte. Die von den Anstalten angemeldeten Bedarfe kürzt sie dabei zum Teil deutlich nach unten: Für die Beitragsperiode 2025 bis 2028 etwa hätten sich nach dem, was die Anstalten wollten, ein Rundfunkbeitrag von 19,94 ergeben – die KEF empfahl stattdessen 18,94 Euro.
Alexander Schweitzer, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, sprach sich am Freitag für einen generellen Systemwechsel bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. Man wünsche sich einen Vorschlag, der „das Ganze von der Temperatur her herunterfährt und entpolitisiert“, erklärte er. Informationen dieser Redaktion zufolge könnte es auch darauf hinauslaufen, die zwingende Zustimmung der Landtage künftig abzuschaffen.
Wie reagiert die ARD?
Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke sagte am Freitag, die Rundfunkanstalten und die Länder teilten das Ziel, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk effizient, modern und vor allem zukunftsfest aufzustellen. „Teile des Reformstaatsvertrags gehen in die richtige Richtung, doch manche Regelung stellt uns vor Herausforderungen. Aber wir packen das an“, so Gniffke. Gleichzeitig kritisierte er die fehlende Entscheidung zur Anpassung des Rundfunkbeitrags. „Wir werden prüfen, was das für die ARD bedeutet, inhaltlich und juristisch“, kündigte er an.
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