Duisburg. Die Stimmung in der Ruhrwirtschaft wird immer finsterer. Mitten in der Rezession überraschen die IHKs mit einer Forderung nach Einwanderung.

Die Stimmung in der Ruhrwirtschaft wird immer trüber. Seit mehr als 15 Jahren seien die Umfragewerte unter den Mitgliedsfirmen nicht so lang anhaltend schlecht gewesen, teilten die sechs Industrie- und Handelskammern am Dienstag in Duisburg mit. Sie fordern rasche Hilfe aus Berlin und eine „Wirtschaft-first-Strategie“.

Emotional wie selten appellieren die IHKs am Dienstag an die Politik, endlich die Sorgen der Wirtschaft ernst zu nehmen. „Wir sind das einzige Land im Abschwung. Unternehmer lassen den Kopf hängen und haben keine Lust mehr“, sagt Werner Schaurte-Küppers. Der Präsident der Duisburger IHK legt im Namen seiner Amtskollegen den Ruhrlagebericht vor. „Es geht weiter bergab. Unsere Unternehmen hängen in der Rezession fest und sind verunsichert“, malt er ein düsteres Bild.

IHKs fordern „gezielte Zuwanderung“ von jährlich 400.000 Fachkräften

Fast schon flehentlich fordert Schaurte-Küppers von der Bundesregierung einen „Wachstums-Turbo“ und macht dabei selbst einen überraschenden Vorschlag. Deutschland brauche jährlich eine „gezielte Zuwanderung von qualifizierten Arbeitern, die uns helfen, wieder ins Wachstum zu kommen“. Der Unternehmer bringt die Außenhandelskammer ins Spiel, die in den Herkunftsländern nach geeigneten Migranten suchen soll. „Wir brauchen eine Willkommenskultur“, meint Schaurte-Küppers.

Der Vorstoß der Kammern kommt nicht von ungefähr. Denn der Fachkräftemangel gehört neben der schwächelnden Konjunktur längst zu den größten Problemen der Unternehmen im Ruhrgebiet. 43 Prozent der von den IHKs befragten Mitgliedsfirmen gaben in diesem Herbst an, ihre offenen Stellen langfristig nicht besetzen zu können. Zwei Drittel versichern, dass sie deshalb ihre Beschäftigten unbedingt halten wollen.

Bürokratie: Ruhrwirtschaft fühlt sich „ausgebremst“

Es sei eine Stärke, dass im Ruhrgebiet Menschen aus aller Welt zusammen kommen, heißt es in einer Erklärung der IHKs.  Doch seien die Hürden zu hoch, bis Fachkräfte aus dem Ausland im Betrieb anfangen könnten. Das wollen die Kammern ändern und planen deshalb den Aufbau von „Welcome Centern“. Bei der IHK Mittleres Ruhrgebiet werden Einwanderer bereits aktiv durch das Dickicht der deutschen Behörden begleitet. Weitere „Welcome Center“ sollen folgen.

Werner Schaurte-Küppers ist Präsident der Niederrheinischen IHK, die für Duisburg sowie die Kreise Wesel und Kleve zuständig ist.
Werner Schaurte-Küppers ist Präsident der Niederrheinischen IHK, die für Duisburg sowie die Kreise Wesel und Kleve zuständig ist. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Bürokratie ist ohnehin eine der größten Lasten, unter der die Ruhrwirtschaft leidet. In der Herbstumfrage gaben zahlreiche Firmen zu Protokoll, dass sie sich „ausgebremst“ fühlten. 57 Prozent gaben an, dass die politischen Rahmenbedingen nicht mehr in die Zeit passten. Zur „Wirtschaft-first-Strategie“, die die IHKs fordern, gehörten bezahlbare Energie und eine Absenkung von Steuern und Abgaben. Viel Beifall erhalten deshalb die Städte Duisburg und Essen, die die Gewerbesteuer senken wollen. „Das ist ein Signal“, freut sich Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Duisburger IHK. „Das Ruhrgebiet ist zu teuer“, unterstreicht Präsident Schaurte-Küppers die Notwendigkeit.

IHK-Lob für Brückenbau auf der A40 in Bochum

Auf ihrer Wunschliste stehen aber auch schnellere Genehmigungsverfahren bei Infrastruktur-Projekten. „Wir brauchen mehr Beispiele wie die Schlachthofbrücke in Bochum. Hier soll der Verkehr nach 15 Wochen Bauzeit wieder rollen“, lobt IHK-Präsident Schaurte-Küppers den ambitionierten Plan auf der gesperrten Autobahn A40 in Bochum. An der neuralgischen Uerdinger Brücke, die Krefeld und Duisburg miteinander verbindet, seien es hingegen „im besten Fall 13 Jahre. Das ist zu lange.“

Die schlechte Stimmung in der Ruhrwirtschaft zieht sich der Herbstumfrage zufolge durch nahezu alle Branchen. Auf einen Lichtblick macht allerdings Kerstin Groß, Hauptgeschäftsführerin der IHK Essen, aufmerksam: „Der Dienstleistungssektor kommt besser weg als die Industrie“, sagt sie. Immerhin bewertet rund ein Drittel die aktuelle wirtschaftliche Lage als gut.

Einzelhändler erwarten maues Weihnachtsgeschäft

Für den Einzelhandel im Ruhrgebiet sieht es dagegen besonders finster aus. Fast 40 Prozent der Unternehmen erwarten wegen der üblen Kauflaune der Verbraucherinnen und Verbraucher schlechtere Geschäfte und schließen sogar Arbeitsplatzabbau nicht aus. Auch mit dem bevorstehenden Weihnachtsgeschäft verbinden die Händler im Revier der IHK-Umfrage zufolge wenig Optimismus.

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