Essen/Berlin. Siegfried Russwurm gibt sein BDI-Amt an den Familienunternehmer Peter Leibinger ab. Bei Thyssenkrupp steht Russwurm besonders im Fokus.
Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm gibt die Führung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) ab. Der 61-jährige Russwurm werde nach zwei Amtszeiten als BDI-Präsident am Jahresende ausscheiden, wie es die Satzung des Verbands vorsehe, erklärte der Industrieverband am Mittwoch (25. September). Im Namen der zuständigen Findungskommission habe Russwurm Peter Leibinger (57), den Vorsitzenden des Aufsichts- und Verwaltungsrats des baden-württembergischen Familienunternehmens Trumpf, als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Die Wahl stehe bei der BDI-Mitgliederversammlung am 25. November an.
Beim angeschlagenen Essener Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssenkrupp führt Russwurm seit Oktober 2019 den Aufsichtsrat. Gewählt als Thyssenkrupp-Chefkontrolleur ist er Unternehmensangaben zufolge bis zum Jahr 2026.
„Industriestandort Deutschland ist in einer herausfordernden Situation“
„Der Industriestandort Deutschland ist in einer herausfordernden Situation“, wird Peter Leibinger in einer Mitteilung des BDI zum anstehenden Führungswechsel zitiert. „Die anhaltende Wachstumsschwäche und der Bedarf für Veränderungen in der Industrie stellen uns vor große Aufgaben. Der BDI ist als Stimme der Wirtschaft im politisch-gesellschaftlichen Dialog deshalb besonders gefordert.“ Der BDI-Präsident ist Verbandsangaben zufolge ehrenamtlich tätig, wird für zwei Geschäftsjahre gewählt und kann einmal wiedergewählt werden. Der BDI gilt als einer der einflussreichsten Lobbyverbände in Deutschland.
Bei Thyssenkrupp steht Siegfried Russwurm angesichts der angespannten Situation des Unternehmens besonders im Fokus. Von der IG Metall und dem zurückgetretenen Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp-Stahlsparte, Sigmar Gabriel, hat Russwurm scharfe Kritik einstecken müssen.
Trotz einer ablehnenden Haltung der Arbeitnehmervertreter hatte der Thyssenkrupp-Aufsichtsrat unter Leitung von Russwurm einem Einstieg des tschechischen Geschäftsmanns Daniel Kretinsky bei der Stahlsparte des Ruhrgebietskonzerns zugestimmt. Russwurm übertrumpfte die Arbeitnehmervertreter mit seiner sogenannten Doppelstimme als Gremienchef. Dies hatte er zuvor auch bereits bei einer umstrittenen Erweiterung des Thyssenkrupp-Vorstands getan.
Russwurm hält es eigener Darstellung zufolge für möglich, dass er bei Thyssenkrupp erneut seine Doppelstimme einsetzen könnte, wie er im Juni im Gespräch mit der „Welt am Sonntag“ erklärte. „Ich war noch nie ein ,Basta‘-Chef. Und das werde ich auch als Aufsichtsratschef weiterhin nie sein. Würde ich deswegen ausschließen, das Doppelstimmrecht auch in Zukunft nochmal anzuwenden? Nein“, sagte Russwurm. „Ein Aufsichtsratschef hat die Verpflichtung, verantwortlich im Sinne des Unternehmens zu handeln und entsprechende Entscheidungen sicherzustellen.“
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