Berlin. Immer mehr Unternehmen rutschen in Deutschland in die finanzielle Schieflage. In welchen Branchen die Lage besonders dramatisch ist.
Immer mehr Unternehmen in Deutschland gehen pleite. Laut Zahlen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hat sich die Zahl der Insolvenzen von mittleren und großen Betrieben in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.
Und auch kleine Unternehmen rutschen immer häufiger in finanzielle Schieflage. Insgesamt gab es in diesem Jahr schon 11.000 Unternehmensinsolvenzen und damit knapp 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das ist der höchste Stand seit fast zehn Jahren. Die Insolvenzen betreffen dabei auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Insgesamt 133.000 Beschäftigte waren in diesem Jahr schon betroffen.
Insolvenz als Chance
Laut dem Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch gibt es dafür mehrere Gründe: „Die Unternehmen kämpfen im ersten Halbjahr 2024 weiter gegen die Auswirkungen der Rezession in 2023, anhaltende Krisen und die kraftlose konjunkturelle Entwicklung in diesem Jahr.“ Insgesamt sei die Unternehmensstabilität so wackelig wie seit Jahren nicht mehr.
Vor allem bei größeren Betrieben liegt das Insolvenzgeschehen weit über dem Niveau der vergangenen Jahre. Creditreform-Experte Hantzsch sieht die Ursache vor allem in den aufgestauten Problemen der jüngsten Krisen. Zahlreiche verschuldete Firmen könnten den Zahlungsverpflichtungen kaum nachkommen. Vor allem große Unternehmen würden die Insolvenz als Chance in der Krise begreifen, um sich aus der Schieflage zu befreien, so Hantzsch. Beispiele wie Galeria zeigten jedoch, dass dieser Weg nicht immer funktioniere. Die Kaufhauskette hatte im Januar zum dritten Mal innerhalb von weniger als vier Jahren einen Insolvenzantrag gestellt.
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Diese Branchen sind besonders betroffen
Die Zahl der Pleiten nimmt dabei in allen Wirtschaftsbereichen stark zu: So verzeichnete die Dienstleistungsbranche 6500 Insolvenzen und damit ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum. Dramatisch ist demnach auch die Lage in der verarbeitenden Branche (21,5 Prozent mehr Insolvenzen) und im Baugewerbe (27,5 Prozent mehr Insolvenzen).
Aufgrund der zentralen wirtschaftlichen Bedeutung des Bausektors bereiten die vielen Pleiten dort besonders Sorge: „Die deutliche Zunahme der Insolvenzen im Bauhauptgewerbe ist besorgniserregend und vor allem auf die katastrophale Lage im Wohnungsbau zurückzuführen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa. Laut ihm sind Genehmigungs- und Auftragszahlen stark eingebrochen – viele Fachkräfte für Wohnungsbau und Energiewende könnten abwandern.
Im Handel ist die Zahl der Insolvenzen im ersten Halbjahr um ein Fünftel gestiegen. „Der Einzelhandel geriet in den letzten Jahren angesichts einer hohen Kostenbelastung und eines schwachen privaten Konsums unter Druck. Viele Unternehmen mussten sich den schwierigen Rahmenbedingungen noch geschwächt aus den Jahren der Corona-Pandemie stellen“, äußerte sich Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) zu den Zahlen. Demnach mussten seit 2020 in ganz Deutschland etwa 46.000 Geschäfte schließen.
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Auch in anderen Ländern viele Pleiten
Doch nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern nimmt die Zahl der Unternehmenspleiten stark zu. Ein internationaler Vergleich von Creditreform zeigt, dass die Insolvenzzahlen in einigen Ländern sogar höher sind als in Deutschland: Besonders hoch war der Anstieg im Jahr 2023 in den Niederlanden (+54,9 Prozent) und in Frankreich (+35,6).
Auch der Blick in die kommende Zeit fällt wenig optimistisch aus: Viele Experten erwarten, dass die Insolvenzzahlen weiter steigen und in diesem Jahr zum ersten Mal wieder das Niveau vor der Pandemie übertreffen. Der Kreditversicherer Allianz Trade korrigierte seine Prognose für 2024 gerade nach oben: auf 21.500 Fälle. „Die Insolvenzen haben merklich angezogen, sowohl in Deutschland als auch weltweit. Mit einer Stabilisierung rechnen wir erst 2025“, sagte der Leiter der Insolvenzanalyse, Maxime Lemerle.
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