Düsseldorf. Damit der Nachbar nicht eher jubelt, verkürzen Vodafone und Waipu Verzögerungen bei Fußball-Übertragungen. Vorteile auf diesen TV-Sendern.

Niclas Füllkrug läuft gerade zum Ball, da jubeln die Nachbarn in der Wohnung nebenan schon über das Tor des deutschen Nationalspielers. Sekundenlange Verzögerungen bei der Fernsehübertragung der Fußball-Europameisterschaft soll es in diesem Jahr für Kabelkunden nicht mehr geben. Der größte Anbieter Vodafone Deutschland verspricht seinen Kundinnen und Kunden einen „Jubel-Booster“ und damit Tore ohne Zeitverlust. Die Düsseldorfer erhoffen sich davon sich davon Vorteile vor allem gegenüber dem Rivalen Telekom. Bei Magenta TV muss man je nach Endgerät mit Verzögerungen von 20 Sekunden und mehr rechnen.

Wie schnell die Bilder aus dem Fußballstadion ins heimische Wohnzimmer oder in den Biergarten übertragen werden, hängt in hohem Maße von der Technik ab, die Empfänger nutzen. „Wer Fernsehen klassisch per Satellit, Antenne oder TV-Kabel empfängt, ist auf der sicheren Seite“, rät das Vergleichsportal Verivox. Über diese drei Wege habe man die geringsten Latenzzeiten - „in der Regel unter zehn Sekunden“. Am schnellsten komme das Fernsehsignal über die Satellitenschüssel. Kabel-Kunden, so Verivox, müssten vier Sekunden warten.

Vodafone: Kabel zwei Sekunden schneller als Sat-Schüssel

Da aber auch diese vier Sekunden bei einem spannenden EM-Spiel wie eine Ewigkeit wirken können, verspricht Vodafone auch für diese schmale Lücke Abhilfe. Um schneller zu werden, kommen die Signale von ARD und ZDF nun per Glasfaser in die beiden TV-Zentren in Kerpen und Frankfurt-Rödelheim, teilt das Unternehmen mit. Allein damit werde das Kabelfernsehen genauso schnell wie das Satellitenfernsehen. Zusätzlich kündigt Vodafone für den Zeitraum der Fußball-EM einen „Jubel-Booster“ an.

Fernsehen via Satellit und Kabel weit vorn

Der Satellit hat nach Einschätzung des Marktforschungsinstituts Kantar seine Position als führender Empfangsweg für Fernsehprogramme in Deutschland gefestigt. Mit einem Anstieg auf 16,53 Millionen versorgte TV-Haushalte im Jahr 2023 (2022: 16,34 Millionen) erreicht der Sat-Empfang demnach einen Marktanteil von 45,5 Prozent (2022: 45,0 Prozent). Auf Platz zwei landete das leicht schrumpfende Kabelfernsehen mit 15,11 (2022: 15,21) Millionen Haushalten und einem Marktanteil von 41,6 Prozent (2022: 41,9 Prozent).

Auch das Wachstum des Fernsehens via Internet scheint vorbei zu sein. 2023 schauten 3,49 Millionen Haushalte IPTV. Im Vorjahr waren es 3,61 Millionen. Der Marktanteil ging von 9,9 auf 9,6 Prozent zurück. Im Kommen ist dagegen die kleine mobile Antenne: 1,22 Millionen Haushalte nutzten 2023 DVB-T2 HD. 2022 waren es 1,14 Millionen. Der Marktanteil wuchs von 3,1 auf 3,4 Prozent.

Soll heißen: Das unkomprimierte TV-Signal aus den Studios der Fernsehsender werde nun unverändert in der Signalaufbereitung genutzt. Der Effekt: ein zeitlicher Vorsprung beim Kabelfernsehen von bis zu zwei Sekunden gegenüber dem Satelliten – allerdings nur bei Das Erste HD und ZDF HD, wie der Konzern betont. Die beiden öffentlich-rechtlichen Sender übertragen 34 EM-Spiele, bei RTL sind es zwölf. Während der „Booster“ in 13 Bundesländern bereits beim Eröffnungsspiel Deutschland - Schottland am Freitag wirksam werde, müssen sich Kunden in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg nach Angaben von Vodafone bis nächste Woche gedulden.

„Mit dem Vodafone ‚Jubel-Booster‘ zeigen wir, was alles noch im Kabel steckt“, sagt Vodafone-Manager Guido Kneuper. Als mit Abstand größter Anbieter von Kabelfernsehen steht sein Unternehmen unter Druck, weil Millionen Mieterinnen und Mieter ab dem 1. Juli nicht mehr verpflichtet sind, einen Kabelanschluss zu nutzen. Aber auch die Zahl derer, die Fernsehsender streamen, ist gewachsen.

Magenta TV der Telekom: „maximal 20 Sekunden Latenz“

Doch ausgerechnet beim Streamen via Internet treten naturgemäß die größten Latenzen auf. Das gilt vor allem aber auch für das Telekom-Angebot Magenta TV. Bei Kunden, die etwa den Magenta TV One Receiver nutzen, fallen die Tore mit einer satten Verzögerung von 24 Sekunden, wie das Analysehaus Veed exemplarisch bei einem Spiel der Fußball-Nationalmannschaft der Frauen gemessen hat, das am 4. Juni von der ARD übertragen wurde.

Die Telekom selbst räumt auf Anfrage etwas kürzere Verzögerungen ein. „Im Zweifelsfall nehmen wir eine größere Latenz von maximal 20 Sekunden in Kauf, um zum Beispiel bei einer schlechten WLAN-Inhouse-Versorgung trotzdem eine gute Bildqualität sicherstellen zu können“, sagt Sprecher Christoph Handwerk und versichert zugleich: „Die Mehrheit unserer Kunden wird zeitgleich mit dem Nachbarn, der die EM über Satellit verfolgt, jubeln können.“ Letztlich hänge die Verzögerung vom verwendeten Endgerät und der Qualität der Verbindung ab. 

Waipu schneller als andere Streamingdienste

Vodafones Schachzug gegen die Telekom unmittelbar vor Anspfiff der EM am 14. Juni kommt nicht von ungefähr. Magenta TV ist offizieller Partner und nationaler Sponsor der Europameisterschaft und zeigt ausnahmslos alle Spiele live. Fünf Begegnungen sind sogar exklusiv beim Streaming-Dienst der Telekom zu sehen: Ungarn – Schweiz und Schottland – Ungarn in der deutschen Gruppe, Slowenien – Serbien, eine weitere Partie am dritten Spieltag sowie ein Spiel im Achtelfinale.

„Egal ob Sky, DAZN oder Plattformen wie Joyn und Zattoo“ – das Vergleichsportal Verivox bezeichnet Streaming-Dienste gemessen an den Übertragungsverzögerungen von bis zu zehn Sekunden als „Schlusslicht“. Es scheint aber eine Ausnahme zu geben: Der Anbieter Waipu-TV mit der Werbeikone Dieter Bohlen schnitt beim Test des Analysehauses Veed auffallend gut ab: Die Verzögerung betrug gerade einmal vier Sekunden. Seit Dienstag bewirbt Waipu einen neuartigen Stick, der Tore bis zu 30 Sekunden schneller übertrage als andere Streamingdienste.

Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier: