Berlin. Zum ersten Mal seit 2001 gab es in Deutschland im vergangenen Jahr wieder mehr Ausbildungsangebote als Bewerber. Als Grund nennt der aktuelle Bildungsbericht der Bundesregierung unter anderem den Ausbildungspakt. Migranten und so genannte Altbewerber haben aber noch immer schlechte Chancen.

Erstmals seit sieben Jahren hat es 2008 mehr offene Ausbildungsplätze als unversorgte Bewerber gegeben. Aus dem von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Mittwoch im Kabinett vorlegten Berufsbildungsbericht 2009 gehen aber weiterhin massive Probleme von mehr als eine Viertelmillion Jugendlicher hervor, die als sogenannte Altbewerber immer noch keine Lehrstelle bekommen haben und deshalb Warteschleifen drehen müssen.

Schavan sagte, der Bericht zeige, dass der Ausbildungspakt wirke und dass die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag geleistet habe, «eine Trendwende am Arbeitsmarkt zu schaffen». Laut Bericht wurden vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 bundesweit 616.259 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr seien das zwar 1,5 Prozent oder 9.626 Verträge weniger. Da die Zahl der Bewerber wegen des Geburtenrückgangs deutlich abgenommen habe, habe sich «das Verhältnis von Angebot und Nachfrage weiter verbessert».

Zum ersten Mal seit 2001 Lehrstellenüberschuss

Die Zahl der offenen Ausbildungsplätze habe mit 19.500 die Zahl der noch unversorgten Bewerber mit 14.500 überstiegen, hieß es. Eine solche Situation trete damit erstmals seit 2001 wieder auf.

Schavan zeigte sich aufgeschlossen für einen DGB-Vorschlag, wonach Lehrlinge in Betrieben, die in die Insolvenz gehen müssen, durch einen Schutzschirm besser aufgefangen werden sollten. Sie kündigte im rbb-Inforadio an, den Vorschlag übernehmen zu wollen. Der DGB schlug laut «Berliner Zeitung» vor, dass andere Unternehmen die betroffenen Lehrlinge übernehmen, wozu eine vorerst bis Jahresende befristete Übernahmeprämie von 250 Euro monatlich durch die Bundesagentur für Arbeit eingeführt werden müsse.

Flexiblere Ausbildungsangebote

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kündigte an, durch eine weitere Flexibilisierung der Ausbildungsplatzangebote und neue Berufsgruppen die Lage am Ausbildungsmarkt weiter zu verbessern. Ver.di-Chef Frank Bsirske forderte eine «krisenfeste Organisation von Ausbildungsplätzen».

Caritas-Präsident Peter Neher nannte den Rückgang der Ausbildungsplatzangebot um rund 10.000 im Vergleich zum Vorjahr «keinen Grund zur Freude». Als «nicht hinnehmbar» kritisierte er die Tatsache, dass es 320.450 Jugendliche gebe, die ein Jahr oder länger erfolglos nach einem Ausbildungsplatz anstünden. Betroffen seien vor allem Hauptschüler, noch schlimmer dran seien junge Ausländer. Deren Ausbildungsplatzbeteiligung liege nur bei 24 Prozent im Vergleich zu 58 Prozent bei deutschen Jugendlichen.

Gleiche Chancen für Migranten gefordert

Nehers Kritik stieß in der Regierung auf offene Ohren. Staatsministerin Maria Böhmer fordert gleiche Ausbildungschancen für Migranten: «Das Ausbildungsgefälle zwischen jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ist nicht hinnehmbar», erklärte sie.

FDP und Grüne übten heftige Kritik an dem Bericht. Patrick Meinhardt von den Liberalen sagte, der Geburtenrückgang habe die Regierungsstatistik gerettet. Wenn nicht endlich der Übergang zwischen Schule und Arbeitsplatz besser verzahnt werde, würden «immer neue Altbewerber leer dastehen». Grünen-Expertin Priska Hinz sagte, durch die Lage der Altbewerber würden jährlich über drei Milliarden Euro verschleudert, die in einer Neustrukturierung der Berufsausbildung besser angelegt wären. Der Bericht dokumentiere das Scheitern der Regierung. (AP)

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