Düsseldorf. Daten von sechs Millionen Facebook-Nutzern gestohlen. Opfer können bis zu 5000 Euro Entschädigung erhalten. Wie das geht.
Es war im Sommer 2019, als eine massive Sicherheitslücke bei Facebook bekannt wurde. Experten gehen davon aus, dass damals 553 Millionen Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Kontonummern und andere Daten von rund sechs Millionen Nutzerinnen und Nutzern des Netzwerks abhanden gekommen sind – allein in Deutschland. Das Düsseldorfer Start-up Helpcheck will den Opfern nun dabei helfen, Schadensersatz gegenüber Facebook geltend zu machen.
Peer Schulz hat ein ambitioniertes Ziel. „Wir wollen das Check24 für Rechtsansprüche werden und demonstrieren: So einfach kann Recht sein“, sagt der Jungunternehmer, der 2016 gemeinsam mit dem Essener Phil Sokowicz das Start-up Helpcheck gegründet hat. Dem Anspruch, an die Bedeutung des Verbraucherportals heranzuwachsen, sind die beiden Geschäftsführer inzwischen ein gutes Stück näher gerückt. Anfang des Jahres ist der bisherige Check24-Chef Frank Breitschwerdt als dritter Manager zu Helpcheck gewechselt. Mit der personellen Verstärkung an Bord will der Rechtsdienstleister, der sich bislang weitgehend auf Schadensersatzansprüche gegen Lebensversicherungen konzentriert hatte, nun auch dem großen Thema Datenlecks widmen.
Facebook-Nutzer haben Anspruch auf bis zu 5000 Euro
„Es ist zu befürchten, dass Unternehmen immer wieder Daten gestohlen werden. Deshalb macht es für uns Sinn, betroffenen Kunden auch hier weiterzuhelfen“, sagt Peer Schulz. Ob Krankenkassen und Netzwerke wie Linkedin oder eben Facebook – Hacker machen offenbar vor keiner Branche halt. Betroffene Nutzerinnen und Nutzer wissen oft gar nicht, dass sie für den Datenklau „Schmerzensgeld“ geltend machen können. „Nach unserer Einschätzung auf der Basis ergangener Gerichtsurteile haben sie jeweils Schadensersatz auf bis zu 5000 Euro. Manche Anwaltskanzleien werben mit 10.000 Euro. Das scheint uns aber etwas zu hoch gegriffen“, meint Schulz.
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Facebook, ein Tochterunternehmen des US-Konzerns Meta, hat den Datenskandal lange geleugnet. Zu dem Riesen Kontakt aufzunehmen, ist für Verbraucherinnen und Verbraucher oft schwierig. Nach diversen Anwaltskanzleien springt nun auch Helpcheck in die Bresche, um ihnen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche unter die Arme zu greifen. „Die Höhe hängt unter anderem davon ab, wie hoch der Schaden für die Einzelnen ist. Dabei kann es helfen, wenn man Betrugs-SMS, Werbemails und ungerechtfertigte Anrufe dokumentieren kann“, erklärt der Geschäftsführer.
Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten
Die Kosten für die Hilfe halten sich nach Angaben des Chefs von Helpcheck in Grenzen. „In der Regel übernehmen die Rechtsschutzversicherungen die Kosten für unsere Dienstleistungen. Nutzer, die nicht versichert sind, können sich unserer Sammelklage anschließen. Das macht es günstiger“, meint Schulz.
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Helpcheck gehört zu den ersten namhaften Unternehmen, die in Deutschland die noch recht neue Branche namens „Legal Tech“ voranbringen wollen. Die Rechtsdienstleister verstehen sich als Ergänzung zu Rechtsanwälten, können allerdings nur im außergerichtlichen Bereich tätig werden. Helpcheck hatte zunächst schwerpunktmäßig das große Feld der Lebensversicherungen beackert. Durchaus mit Erfolg. „Über unsere Vermittlung wurden inzwischen mehr als 60 Millionen Euro an Verbraucherinnen und Verbraucher ausgezahlt. Im vergangenen Jahr waren es allein 20 Millionen Euro“, erklärt der Geschäftsführer.
Widerspruchsbelehrungen bei Lebensversicherungen
Im Fokus stehen Lebensversicherungen, die zwischen den Jahren 1994 und 2007 abgeschlossen wurden. Nach einschlägigen Gerichtsurteilen müssen die Abschlüsse eine bestimmte Form von Widerspruchsbelehrungen aufweisen. Bei Helpcheck geht man davon aus, dass bundesweit 30 bis 40 Millionen Verträge in dieser Hinsicht Fehler aufweisen oder viel zu hohe Renditen in Aussicht gestellt werden. Sind diese Verfehlungen nachweisbar, gibt es Anspruch auf Entschädigungen.
„Der Markt ist natürlich endlich“, räumt Schulz ein und verweist zugleich auf die Dimensionen: „Wir werden aber in diesem Leben nicht mehr sehen, dass alle Fälle bearbeitet sein werden. Denn die Allianz geht davon aus, dass mehr als 100 Millionen Verträge fehlerhaft sind.“ Die Nachfrage von Kunden, die diesbezüglich bei Helpcheck anklopfen, wachse. „Die Corona-Zeit war ein richtiger Push für uns, weil die Leute Zeit hatten, ihre Versicherungsverträge zu durchforsten“, sagt der Mitgründer.
Inflation: Verbraucher durchforsten Versicherungen
Es gebe aber einen weiteren Beweggrund. „Im Moment stellen wir fest, dass die Menschen wegen der hohen Inflation Geld brauchen und nach Sparmöglichkeiten suchen. Oder sie sind mit ihrer Lebensversicherung nicht mehr zufrieden, weil die Renditen sinken. Die Suche über Google wächst“, schildert Schulz.
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Den Aufwärtstrend registriert der Geschäftsführer nicht nur im eigenen Unternehmen. „Ich sehe extremes Wachstumspotenzial für Legal Tech. Allein durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird da noch eine ganze Menge passieren“, prophezeit Schulz. „Dadurch wird der Zugang zum Recht eindeutig erleichtert. Man muss sich ja nicht mehr an eine Anwaltskanzlei wenden.“ Das wird nach seiner Überzeugung auch dazu führen, dass mehr Beschäftigte eine angemessene Abfindung einfordern werden, wenn sie vom Arbeitgeber die Kündigung erhalten.