Düsseldorf. Der Markt für juristische Hilfe aus dem Internet wächst. Helpcheck startete mit Lebensversicherungen. Warum das Portal schneller ist als Anwälte.

Als Peer Schulz vor einigen Jahren in der Zeitung las, dass Millionen Verträge für Lebensversicherungen fehlerhaft seien, kam ihm gleich eine Geschäftsidee. Mit seinem Freund Phil Sokowicz aus Essen gründete er dann 2016 in Düsseldorf die Firma Helpcheck und beschäftigt inzwischen um die 40 Mitarbeiter – die meisten von ihnen Softwareentwickler.

„Wer will sich schon einen Anwalt nehmen und hohe Kosten riskieren?“, fragt Schulz rhetorisch. In dem Feld der fehlerhaften Lebensversicherungen sieht er einen „Riesenmarkt“. Vor allem bei Verträgen, die zwischen 1994 und 2007 geschlossen wurden. Nach einschlägigen Gerichtsurteilen müssen die Abschlüsse unter anderem eine bestimmte Form von Widerspruchsbelehrungen aufweisen. Bei Helpcheck geht man davon aus, dass bundesweit 30 bis 40 Millionen Verträge in dieser Hinsicht Fehler aufweisen.

„Wir haben inzwischen mehrere 10.000 Verträge geprüft und festgestellt, dass 70 Prozent anfechtbar sind“, sagt der Mitgründer. Entweder seien die vom Versicherer in Aussicht gestellten Renditen „utopisch“ oder aber die Widerrufbelehrung nicht ordnungsgemäß. Aber nur dieser Formfehler ist anfechtbar. „Wir haben für unsere Kunden bereits über zehn Millionen Euro Entschädigungen durchgesetzt“, zieht Schulz eine Zwischenbilanz. Das Portal nutze inzwischen ein „Querschnitt der Gesellschaft – von der Chefärztin bis zum Lagerarbeiter“.

Helpcheck: 30 bis 40 Millionen Verträge fehlerhaft

Das Geschäftsmodell der beiden 32-Jährigen orientiert sich an dem anderer Verbraucherportale. „Wir sind das Check24 für Rechtsansprüche“, wählt Schulz einen Vergleich. Das Prinzip: Verbraucher, die ihre Versicherungsverträge überprüfen lassen wollen, registrieren sich bei Helpcheck, geben die Eckdaten ein und laden die Policen hoch. „Unsere Partneranwälte prüfen die Verträge und ermitteln die Höhe des Anspruchs und entscheiden, ob es sich lohnt, rechtliche Schritte einzuleiten“, so Schulz. „Es gibt aber auch gute Gründe, nicht zu widerrufen, wenn zum Beispiel die Summe zu gering ist oder Risiken nicht mehr abgedeckt werden können.“

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Bis dahin ist der Service kostenlos. Stimmt der Kunde dem Rechtsweg zu, berechnet Helpcheck ein Honorar auf den erstrittenen Mehrwert. Ein Beispiel: Wenn der Versicherer nach einem Vergleich 40.000 statt ursprünglich 30.000 Euro auszahlen muss, stellt das Portal eine 30-prozentige Erfolgsprovision auf die Differenz von 10.000 Euro in Rechnung. „In einem Drittel der Fälle einigen wir uns außergerichtlich mit dem Versicherungsanbieter“, so Schulz. Tendenz: steigend.

Software beschleunigt die Bearbeitungszeit

Da das Geschäft mit den fehlerhaften Widerrufsbelehrungen irgendwann einmal auslaufen wird, prüft Helpcheck inzwischen Finanzverträge aller Art und hat sich das Arbeitsrecht als neues Geschäftsfeld erschlossen. „Wir bauen sukzessive unsere Software aus“, sagt Schulz. „Die Automatisierung soll die Anwaltstätigkeit nicht ersetzen, sondern von drei Stunden auf zehn Minuten durchschnittliche Bearbeitungszeit verringern.“ Helpcheck selbst hat inzwischen eine Legal-Tech-Anwaltskanzlei mitaufgebaut und die gesamte Software für diese Kanzlei entwickelt.

Das Geschäft mit der Rechtsberatung via Internet wächst. Im vergangenen Jahr haben sich rund 50 Portale, Anwaltskanzleien und Rechtsschutzversicherungen wie die Arag oder Advocat zum Verband Legal Tech zusammengeschlossen. „Wir sind ein Netzwerk und suchen den Draht zur Politik“, sagt Schulz, der zu den Gründungsvätern des Verbands gehört und im Vorstand sitzt. Er geht davon aus, dass die Online-Beratung wachsen wird. „Bei Regulierung wird sich viel tun. Für Start-ups wird es mehr Rechtssicherheit geben“, erwartet er. Schulz jedenfalls hat seinen Weg in die Selbstständigkeit nicht bereut und erinnert sich: „Ich wollte unbedingt gründen.“

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